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„Religion ist ein positiver Impuls“

Die Vertreterin der Bahá'í-Religion Nura Frömel (34) ist neue Vorsitzende des Frankfurter Rates der Religionen. Froemel hat Betriebswirtschaftslehre in Tübingen und Paris studiert und 2022 das medizintechnische Start-Up „Heronne“ gegründet. Sie lebt mit ihrem Mann im Frankfurter Westend und hat zwei Kinder.

Nura Frömel möchte als Ratsvorsitzende Verunsicherungen und Ängste gegenüber Religionen abbauen. | Foto: Rolf Oeser
Nura Frömel möchte als Ratsvorsitzende Verunsicherungen und Ängste gegenüber Religionen abbauen. | Foto: Rolf Oeser

Frau Frömel, Sie sind die erste weibliche Vorstandsvorsitzende des Rates der Religionen in Frankfurt. Was setzt das für ein Zeichen?

Vor der Wahl habe ich nicht groß darüber nachgedacht. Aber ich bin eine Frau, mit 34 Jahren jünger als die meisten im Rat, und halb Iranerin. Der Rat traut mir zu, entscheidend mitzugestalten. Damit zeigt er, dass er mit dem Zeitgeist geht und Diversität lebt.


Was wollen Sie anders machen als Ihr langjähriger Vorgänger Joachim Valentin?

In der letzten Wahlperiode haben wir eng und gut zusammengearbeitet. Da war ich stellvertretende Vorsitzende, jetzt ist es umgekehrt. Wir werden weiter auf gemeinsamer Arbeit aufbauen. Einige unserer Formate laufen über längere Zeiträume und wir werden sie fortsetzen.


Und was wollen Sie ändern?

Wir hatten jetzt über drei Wahlperioden einen sehr starken Vorsitzenden und Vorstand. Innerhalb des Rates möchte ich jetzt mehr Ratsmitglieder befähigen, in Aktion zu treten, ins Handeln zu kommen.


Und nach außen?

Eine Studie der Bertelsmann Stiftung hat kürzlich herausgefunden, dass 30 Prozent der Deutschen Angst vor Religion haben. Dass sie mächtiger wird und damit, so interpretiere ich, auch eine Gefahr darstellt. Ich möchte Religion noch mehr sichtbar machen, noch mehr erlebbar. Ganz bewusst an Orte gehen, wo diese Gefahr eventuell gespürt wird oder Verunsicherung herrscht.


Welche Orte?

Ich möchte mehr Podien für die Frankfurter Stadtgesellschaft organisieren und dazu einladen, mit Menschen ins Gespräch zu kommen. Im Haus am Dom, aber vielleicht auch anderswo. Ich denke auch an die Universitäten. Ich habe mir bereits viele Gedanken über Bildungsarbeit gemacht. Ich finde, wir müssen mit jungen Leuten ins Gespräch kommen.


Warum braucht man keine Angst vor Religion zu haben?

In den Lehren der Weltreligionen werden die Gläubigen dazu ermutigt, andere Menschen zu lieben, den Weltfrieden zu fördern und einen positiven Beitrag zu leisten. Menschen, die sich Religionen zuwenden, sind von diesen Inhalten angezogen und versuchen, diese Leitlinien in ihr Leben zu integrieren. Religion ist also ein positiver Impuls für die Menschheit.


Warum ist ein „Rat der Religionen“ in einer Stadt wie Frankfurt sinnvoll?

In einer Stadt, wo 180 Nationen leben, macht der Rat Diversität erlebbar. Er macht möglich, dass man mehr miteinander und nicht übereinander spricht. Natürlich gibt es auch untereinander Konflikte und Herausforderungen. Die lösen wir in diesem Raum und lernen dadurch, wie es funktioniert, in einer heterogenen Gesellschaft konstruktiv miteinander umzugehen, auch wenn es mal schwierig wird. Das ist wie ein Muskel, den man trainieren kann. Aber man kann auch einfach voneinander lernen.


Wie zum Beispiel?

In der Coronazeit standen alle Gemeinden vor den gleichen Herausforderungen. Die muslimische Ahmadiyya Gemeinde hat sehr gut dafür gesorgt, dass niemand einsam war. Und die jüdische Gemeinde hat sich um Begegnungsmöglichkeiten für junge Menschen gekümmert. Der Rat der Religionen ist auch ein Wissensreservoir. Seine Lernerfahrungen sind auch auf Menschen übertragbar, die keiner Religion angehören.


Sie haben ein Start-Up gegründet und zwei kleine Kinder. Warum engagieren Sie sich dazu noch ehrenamtlich im Rat?

Ich glaube einfach sehr an die Idee von „Einheit in Vielfalt“. Daran, dass ein friedvolles Miteinander in einer Stadtgesellschaft wie Frankfurt, die sehr vielschichtig ist, möglich ist, bzw. möglich sein muss. Das kann aber nur gelingen, wenn wir nicht nur davon träumen, sondern uns konstruktiv einbringen. Der Rat der Religionen ist für mich ein Ort, wo ich aktiv an diesem Ziel mitarbeiten kann.


Sie gehören der Bahá'í-Religion an. Was ist das für ein Glaube?

Eine monotheistische Weltreligion, die 1863 im Iran entstanden ist. Der Religionsstifter wird „Bahulla“ genannt, übersetzt „Herrlichkeit Gottes“. Er ist mit der Vision gekommen, die Menschheit zu vereinen, eines Tages Weltfrieden möglich zu machen. Bahái ist eine sehr moderne Religion. Es gibt Prinzipien, die sehr wichtig sind: Die Gleichberechtigung von Mann und Frau, die Bedeutung von Erziehung, der Einklang von Wissenschaft und Religion. Damit kann ich mich sehr gut identifizieren.


Hintergrundinformation zum Rat der Religionen:

Eine Amtsperiode dauert zwei Jahre. Die neun Mitgliedsgemeinden entsenden jeweils neue Delegierte. Diese wählen daraufhin in einer konstituierenden Mitgliederversammlung den Vorstand sowie die beiden Vorsitzenden. Der neue siebenköpfige Vorstand besteht seit 30.5.2023 aus:

Nura Frömel (Bahá'í-Gemeinde)
Prof. Dr. Joachim Valentin (Katholische Kirche, Bistum Limburg)
Naweed Ahmad (Ahmadiyya Muslim Jamaat)
Hans-Erich Frey (Buddhistische Sakya-Kalden-Ling-Foundation)
Michaela Fuhrmann (Jüdische Gemeinde Frankfurt)
Sunny Narulla (Afghan Hindu Kulturverein)
Rüdiger Weitzel (Kirche Jesu Christi der Heiligen der letzten Tage).

Neue Mitglieder sind:

Pfarrerin Mechthild Gunkel für die Arbeitsgemeinschaft christlicher Kirchen
Dr. Hayder El Saedi (ZIK Frankfurt) als einer der vier gewählten Vertreter der muslimischen Gemeinden


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Autorin

Stephanie von Selchow ist Redakteurin des EFO-Magazins.