Studentinnen helfen im Quartiersmanagement
Die Eritreerin sieht müde und angespannt aus. Bei ihrem Termin im Büro Aktive Nachbarschaft / Quartiersmanagement Fechenheim erzählt sie, dass sie mit ihren beiden kleinen Kindern in einer 18-Quadratmeter-Wohnung im Stadtteil lebt, und wie die Coronapandemie ihre Lage noch verschärft hat. Nazlı Dersüneli und Paula Krause beraten die Frau. Selbstverständlich halten die beiden Studentinnen Abstand, tragen Masken und lüften regelmäßig. Sie sind freundlich und zugewandt. Sie prüfen, ob ihre Klientin Anspruch auf eine Sozialwohnung hat und stellen fest, dass sie sogar einen Wohnberechtigungsschein der höchsten Dringlichkeitsstufe hat. Zusammen mit ihr formulieren sie einen Brief an die örtliche Wohnungsbaugesellschaft, in dem sie ihre Situation eindringlich schildern und auch darauf hinweisen, dass sie schon bei mehreren Besichtigungsterminen übersehen wurde.
Dersüneli und Krause studieren Soziale Arbeit an der Fachhochschule Frankfurt mit Schwerpunkt Sozialberatung. Anfang des Jahres wurden die beiden 23-Jährigen in der „AG TuWas“ der Hochschule gefragt, ob sie sich vorstellen könnten, im Quartiermanagement einzuspringen. Seit Februar arbeiten sie nun zweimal in der Woche für je anderthalb Stunden in Fechenheim. Die 21-jährige Merve Danisman, die ebenfalls an der FH studiert, arbeitet im Team mit Quartiersmanagerin Nora David. David freut sich: „Die jungen Frauen sind sehr motiviert und konnten von Anfang an gut mit den Menschen umgehen.“
Viele ältere ehrenamtliche Beraterinnen und Berater, die für gewöhnlich die Sprechstunden abhalten, fallen jetzt aus, weil sie in der Pandemie zur Risikogruppe gehören. Das Diakonische Werk für Frankfurt und Offenbach sowie andere freie Träger hatten deshalb bei der Stadt angefragt, ob Studierende aushelfen könnten. Sie stießen auf offene Ohren: Die Fachstelle für Quartiersmanagements im Jugend- und Sozialamt der Stadt übernimmt die Finanzierung des Angebots – und zwar in allen 15 Quartieren des Frankfurter Programms Aktive Nachbarschaft.
„Wir sind eine vertraute Anlaufstelle im Stadtteil, unsere Türen stehen offen“, sagt David. Wegen der Pandemie bieten Jobcenter und Sozialrathäuser seit Monaten keine Präsenztermine mehr an und vergeben auch online deutlich weniger Beratungstermine als in anderen Zeiten. „Nicht nur in unserem Stadtteil haben wir einen hohen Anteil von Menschen mit Sprachbarrieren und eingeschränkter Lesefähigkeit“, erzählt die Quartiersmanagerin. Für viele sei es wichtig, dass sie Briefe und Formulare mitbringen können, um gegebenenfalls auf Sätze zeigen zu können, die sie nicht verstehen.
In den Präsenz-Sprechstunden bitten Junge und Ältere, Einheimische und Neuankömmlinge nicht nur um Hilfe bei der Wohnungssuche, sondern etwa auch beim Heraussuchen und Kopieren verlangter Unterlagen für das Jobcenter oder Übersetzung von Lebensläufen, Vormerkungen für Betreuungsplätze der Kindertageseinrichtungen, Briefe an Ämter und Vermittlung an Beratungsstellen mit einem Angebot in der passenden Muttersprache.
Den Studentinnen wird ihre Arbeit als Praktikum angerechnet und auch vergütet. „Es ist natürlich sehr gut, einen kleinen Job zu haben, aber ich würde das auch machen, wenn ich nichts verdienen würde“, sagt Dersüneli. „Man spürt die Dankbarkeit der Menschen.“ Außerdem lerne sie jede Menge – Menschenkenntnis, Gesprächsführung, Umgang mit den verschiedenen Akteur:innen. „Und es lenkt auch von eigenen Pandemie-Ängsten ab, anderen zu helfen.“
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