Gott & Glauben

„Bei den Katholiken fehlt mir oft das weibliche Gegenüber“

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Charlotte Eisenberg ist 40 Jahre alt und Pfarrerin der Evangelischen Regenbogengemeinde in Sossenheim, Christine Sauerborn-Heuser ist 56 und Gemeindereferentin in der katholischen Pfarrei St. Jakobus (Niederrad, Goldstein, Schwanheim). Wie definieren sie ihre eigene Rolle innerhalb ihrer Kirche, wie werden sie als Theologinnen gesehen? In einem Doppelinterview haben Anne Zegelman, Redakteurin der katholischen Stadtkirche, und Bettina Behler, evangelische Medieninformation, mit ihnen über Unterschiede und Gemeinsamkeiten gesprochen.

v. li. Charlotte Eisenberg (Foto Rui Camilo), Christine Sauerborn-Heuser (Foto Lena Heinrich)
v. li. Charlotte Eisenberg (Foto Rui Camilo), Christine Sauerborn-Heuser (Foto Lena Heinrich)

Zwei starke Frauen– eine Pfarrerin, eine Gemeindereferentin. Was denken Sie, wenn sie das Standing der jeweils anderen in ihrer Kirche betrachten?

Eisenberg: Mir tut es leid, dass die katholischen Frauen in bestimmte Ämter nicht reinkönnen, da fehlt mir bei der Arbeit oft auch das weibliche Gegenüber. Ich frage mich da schon, wie man das aushält. Ich glaube, ich würde ziemlich schnell „Adios“ sagen.

Sauerborn-Heuser: Ich schaue mit Neid darauf, dass die Frage, ob Frau oder Mann bei Ihnen keine Rolle spielt, und finde es einen Skandal, dass bei uns dieses Charisma nicht zugelassen wird.


Wie steht es um die Frauensolidarität in ihrer Kirche und der Ökumene?

Sauerborn-Heuser: Im Team und im Alltag spielt es meistens keine Rolle, ob wir Frau oder Mann sind, da begegnen wir uns als Menschen. Und: Ich sehe auch, dass die Vernetzung der Frauen untereinander innerhalb der Katholischen Stadtkirche immer wichtiger wird.

Eisenberg: Mein Gegenüber in Sossenheim ist ein Mann. Dass das so ist, ist im Umgang miteinander zweitrangig; wenn dort eine Frau sitzen würde, wäre sie mir genauso eine Partnerin.


Wie steht es um die Selbstverständlichkeit, Gehör zu finden in der Kirche als einzelne Theologin?

Eisenberg: Offiziell sind die Strukturen geändert und es macht keinen Unterschied, ob sie Frau oder Mann sind. Aber wie in der ganzen Gesellschaft, gibt es subtile Mechanismen, dazu gehört auch, dass Männer den Mund aufmachen, Selbstbewusstsein demonstrieren, während Frauen sagen, „ich weiß nicht so genau“ und niemandem an den Karren fahren wollen. Gerade auch die älteren Kollegen sind gewohnt, dass sie als Pfarrer eine besondere Rolle haben.

Sauerborn-Heuser: Mir war ja von Anfang an klar, ich kann keine Pfarrerin sein, aber abgesehen von dieser Schiene, habe ich nicht das Gefühl, weniger ernst genommen zu werden. Oft wird gerade auch wertgeschätzt, dass ich eine andere Sichtweise reinbringe. Ich erlebe in der Kirche übrigens auch mal, dass ältere Frauen mehr Schwierigkeiten mit Frauen haben als ältere Männer.


Wie erleben Sie als Frau der Kirche die Resonanz bei Außenstehenden, von Kirchendistanzierten?

Eisenberg: Ich merke gelegentlich in Gesprächen, dass Menschen eine bestimmte Vorstellung von Pfarrerinnen haben. Vor Kurzem sagte mir jemand mal, eine Pfarrerin sei doch immer alt –am besten noch mit Buckel. Offenbar ist bei manchen die Vorstellung verankert, dass es einem als Pfarrerin komplett egal sein muss, wie man rumläuft. Auf der anderen Seite habe ich jetzt aber auch schon sehr viel positives Feedback bekommen im Sinne von: „Toll, dass wir jetzt eine junge Frau als Pfarrerin haben, endlich mal frischer Wind.“

Sauerborn-Heuser: In meiner Anfangszeit, als ich beerdigt habe, wurde mir öfter vorgeworfen, ich sei zu jung, um zu wissen, wie man das macht. Da gab es auch Hardliner, die dann lieber ihren eigenen Seelsorger mitgebracht haben – oder wenigstens einen männlichen Gemeindereferenten. Damals habe ich schnell gemerkt, als Frau muss man dreimal so gut sein, wenn man ernstgenommen werden will. Ansonsten habe ich schon alles erlebt, ich wurde schon für die Sekretärin gehalten und bei anderer Gelegenheit für eine Pfarrerin. Ich korrigiere das mittlerweile nicht mehr (lacht). Was die Kommunikation mit Menschen außerhalb des katholischen Circles angeht, werde ich immer mal wieder gefragt, wie ich als Frau in dieser Kirche überleben kann und warum ich mir das eigentlich antue.


Was waren ihren Hoffnungen, ihre Zweifel, als sie das Theologiestudium aufnahmen?

Eisenberg: Ich bin über meinen damaligen Freund zu dem Studium gekommen und weil es mich interessiert hat. Ob ich Pfarrerin werden will, war am Anfang keineswegs klar. Heute frage ich mich manchmal, wo es hingehen soll, wenn gerade mal drei Leute zum Gottesdienst kommen. Das habe ich mir anders vorgestellt.

Sauerborn-Heuser: Ich wollte zuerst Biologie studieren, habe dann ein Freiwilliges Soziales Jahr in meiner Gemeinde gemacht und mich fürs Studium beworben. 1985, als ich begonnen habe, war es noch schwierig, einen Platz zu bekommen. Zugleich herrschte damals eine Aufbruchstimmung in Richtung Diakonat der Frau. Insgesamt ist es ein Beruf, der mir sehr viel Spaß macht, er ist interessant, abwechslungsreich, ich habe viel mit Menschen zu tun und ich habe das Gefühl, ich mache etwas Sinnvolles.


Wenn Sie sich heute noch einmal entscheiden müssten – würden Sie die Kirche noch immer als Arbeitsfeld wählen oder hat sich etwas verändert?

Sauerborn-Heuser: Gemeinsam mit Menschen darauf zu schauen, welchen Sinn die Botschaft von Jesus heute noch hat, finde ich immer noch sehr interessant und schön. Ich kann mir aber auch sehr gut vorstellen, dass ich mich heutzutage nicht mehr fürs Theologie-Studium entscheiden würde. Vielleicht würde ich mir stattdessen einen anderen Arbeitsbereich suchen, in dem ich etwas mit Glaube im Alltag machen könnte, aber nicht so fest in der Kirche verankert wäre.

Eisenberg: In Sossenheim haben wir keine große Gemeinde, dafür gibt es dort auch wenig eingetretene Pfade. Kreativ werden, Leute begeistern, das macht schon richtig Spaß. Dann ist es wiederum auch anstrengend, weil ich eine 100%-Stelle und drei kleine Kinder habe. Ich merke, auch in der Kirche ist es schwierig, Familie und Beruf unter einen Hut zu bringen. Da würde ich mir manchmal mehr Kolleginnen in ähnlicher Situation zum Austausch wünschen. Aber die meisten Mütter haben keine Vollzeit-Stelle. Und die meisten Väter scheinen das Problem nicht zu haben, weil von ihnen immer noch weniger Care-Arbeit in der Familie erwartet wird.

Sauerborn-Heuser: Ich persönlich habe die Pfarreiwerdung als sehr positiv erlebt, da ich jetzt nicht mehr alle Arbeitsbereiche abdecken muss, sondern wir im größeren Kreis Synergie-Effekte nutzen. Die evangelischen Strukturen sind anders, in den Gemeinden müssen die Pfarrerinnen und Pfarrer immer alles allein machen für ihren Ort.


In der evangelischen Kirche sind die Frauen im Pfarramt, neuerdings hat die EKD eine Ratsvorsitzende, eine junge Frau ist Präses, also alles wunderbar, oder….?

Eisenberg: Meine Mutter sagte immer, Frauen werden erst an die Spitze gelassen, wenn es nicht mehr weit her ist, mit Macht und Einfluss einer Institution (lacht). Es gibt ja auch die These, erst wenn unfähige Frauen genauso wie unfähige Männer an die Spitze kommen, haben wir es geschafft. Aber im Ernst, ich finde es super, dass wir so viele Frauen an der Spitze haben, das zeigt, dass es langsam normal wird.

Aber klar, dass ich jetzt in den Dekanatssynodalvorstand gekommen bin, liegt auch daran, dass gesagt wurde, wir brauchen mehr junge Frauen. Da passiert viel, vielleicht auch angesichts des Bedeutungsverlustes der Kirche.


Der Synodale Weg macht deutlich, dass die Katholische Kirche in Deutschland sich in Bezug auf die Frauenweihe bewegen möchte. Wie groß schätzen Sie die Chance ein, dass sich tatsächlich etwas tut und nicht nur geredet wird?

Sauerborn-Heuser: Der Synodale Weg, der in Deutschland beginnt und sicher auch in den reformorientierten Nachbarländern eine Chance bekommt, hat ja mannigfaltige Themen, von denen manche positiv-reformmäßig entschieden werden. Es gibt gute Anfänge und es ist schön zu sehen, dass die Mehrheit der Teilnehmenden am Synodalen Weg die Vorschläge unterstützt. Aber ich habe ein bisschen Angst davor, dass das trotzdem in einer riesengroßen Frustration endet, weil die Weltkirche nicht mitmacht. Außerdem stört es mich, dass wir Frauen nun nicht im Gespräch sind, weil wir es können, sondern weil wir jetzt das richten sollen, was die Männer zuvor verbockt haben. Aber wir Frauen werden die Kirche nicht retten können, dafür ist es zu spät.


Womit werben sie für Ihre Kirche?

Sauerborn-Heuser: Ich werbe nicht für meine Kirche, ich werbe für die Botschaft, dass es sich lohnt, Jesus zu folgen. Ich bin katholisch getauft, deshalb bin ich dabei, für mich wäre aber auch auf einem anderen Hintergrund der Glaube eine wichtige Grundlage.

Eisenberg: Ich werbe auch nicht für die evangelische Kirche, sondern versuche zu zeigen, was für eine Botschaft wir haben. Sie steht diametral zur Leistungsgesellschaft und lautet: Du kannst einfach die Person sein, die du bist. Daraus erwächst auch, du bist in der Gemeinschaft angenommen. Es gibt Leute, die sagen, die Kirche sei engstirnig, moralisch. Der Gott, von dem ich erzähle, ist ganz anders.

In gewisser Weise finde ich es auch beneidenswert, dass die katholische Kirche eine Weltkirche ist, bei der evangelischen Kirche ist mit den Landeskirchen manches auch provinziell.


Der 8. März ist Weltfrauentag – was ist Ihnen im gesellschaftlichen Austausch da wichtig?

Eisenberg: Ein großes Thema im weltweiten Kontext ist für mich die geschichtliche Schuld, die wir auch als deutsche Frauen auf uns geladen haben in Antisemitismus und Kolonialgeschichte. Als eine der mächtigsten den Kapitalismus antreibenden Gesellschaften der Welt, leben wir auf Kosten anderer Völker, zum Beispiel beim Thema Kleidung. Ich habe die Hoffnung, dass, wenn wir als Frauen mehr zu sagen hätten, wir das Unsere tun würden, um Machtstrukturen zu durchbrechen.

Sauerborn-Heuser: Die Arbeitswelt, auch die in manchen Staaten katastrophalen Arbeitsbedingungen von Frauen, die wir ausnutzen, beschäftigen mich. Und auch die Situation der afghanischen Frauen, von denen man kaum noch etwas hört. Sie sind wieder aus dem Blick geraten. Ich frage mich: Wo können wir als Frauen für Frauen da sein, was können wir erreichen und lebendig halten an Hilfs- und Entwicklungsmöglichkeiten? Darüber müssen wir sprechen.


Welche Frauen in der Bibel sind Ihnen wichtig?

Sauerborn-Heuser: Ganz klar, die Frauen am Grab. Sie übernehmen Verantwortung, erkennen am Grab, wie es weitergeht, sie sind die ersten Auferstehungszeuginnen.

Eisenberg: Die Prophetinnen finde ich gut, bei denen geht es um soziale Gerechtigkeit, das sind wirklich Revoluzzerinnen. Außerdem Miriam, ohne sie wäre Moses von Anfang an zum Scheitern verurteilt gewesen. Gut gefällt mir auch das Bild der tanzenden Miriam, da geht es nicht nur um Worte, sondern auch um körperlich ausgedrückte Freude.


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