Gott & Glauben

„Da ist Wahrheit drin“

In Frankfurt gibt es christliche Gemeinden unterschiedlichster Konfessionen und Glaubenshintergründe. Wie gehen sie in Punkto Abendmahl mit diesen Unterschieden um? Darüber gab es eine Diskussion im Westend.

Foto: James Colaman /unsplash.com
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Dem Gastgeber der Abendmahlfeier würde Christopher Weber niemals dazwischen funken: „Wenn Jesus einlädt, kann ich mir nicht anmaßen, jemanden auszuladen“, sagt der Pfarrer der alt-katholischen Gemeinde in Frankfurt. „Ich sehe auch niemanden an, ob er ein superkatholisches Leben führt, und es geht mich nichts an, ob jemand geschieden oder wiederverheiratet ist.“ Jeder müsse für sich selbst entscheiden, ob er dem Appell des Apostels Paulus „Prüft euch, ob ihr würdig seid, Wein und Brot zu empfangen“ Folge leistet, sagte Weber.

Der Altkatholik war einer der Podiumsgäste bei einer Diskussionsrunde über das Abendmahlsverständnis in verschiedenen christlichen Konfessionen in der Evangelisch-reformierten Gemeinde im Westend.

Die alt-katholische Kirche, die sich 1870 von der römisch-katholischen Kirche getrennt hat, ist nach Angaben Webers bei der Feier des Abendmahls „offen für alle Christen“ und ähnelt damit der evangelischen Kirche. Auch mit der Anglikanischen, der Schwedisch-Lutherischen sowie einigen anderen Kirchen pflege man eine entsprechende Gemeinschaft, so Weber. In einem römisch-katholischen Gottesdienst würden alt-katholische Gläubige trotz formaler Ähnlichkeiten dagegen nicht zum Abendmahl gehen.

Das würde auch die Pfarrerin der evangelisch-reformierten Gemeinde, Susanne Bei der Wieden, nicht tun. Wenngleich ihr als Jugendlicher ein katholischer Pfarrer, der wusste, dass sie evangelisch ist, einmal die Hostie gereicht hat. Sie leide aber unter der offiziellen Haltung der katholischen Kirche: „Ich fühle mich nicht eingeladen und hoffe, dass die Grenze irgendwann überwunden ist.“

In der reformierten Tradition genieße das Abendmahl einen besonderen Stellenwert. Die überwiegend von Glaubensflüchtlingen gegründeten Gemeinden hätten dort, wo man sie aufgenommen hat, „ihren Tisch zum Tisch des Herrn gemacht“. Der sei in reformierten Gemeinden bewusst kein Altar, sondern ein großer Esstisch, wie man ihn etwa in Familien findet, erklärte Bei der Wieden.

Um einen solchen Tisch versammelt sich die Reformierten in Frankfurt einmal im Monat als Tischgemeinschaft bei Brot, Saft und Wein. Das geschehe stets in Ergänzung zum Gottesdienst, in dem nach reformiertem Verständnis Christus auch im Wort zugegen ist. Lange Zeit sei das Abendmahl in Frankfurt nur zweimal jährlich gefeiert worden, heute aber öfter, und manche Gemeindemitglieder würden es sogar am liebsten jeden Sonntag tun.

In der römisch-katholischen Gemeinde St. Ignatius im Westend ist die wöchentliche Abendmahlsfeier, wie in den meisten katholischen Gemeinden, ohnehin üblich. „Die Eucharistiefeier ist die zentrale Gottesdienstform“, hob Pfarrer Bernd Günther hervor. „Bei der Kommunion ist Christus gegenwärtig.“ Reine Wortgottesdienste seien eine Ausnahmeerscheinung, sie werden zum Beispiel gefeiert, wenn kein Priester anwesend sei. Das Abendmahl brauche eine geweihte Person, so Günther, geweiht seien auch Brot und Wein.

Selbst nimmt der Jesuit zwar nur in römisch-katholischen Gemeinden am Abendmahl teil, aber wenn bei der Eucharistiefeier ein Alt-Katholik oder Protestant vor ihm stünde, würde er die Hostie nicht verwehren. „Ich möchte niemand vom Tische weisen und halte nicht viel davon, die Ränder zu scharf zu ziehen.“ Umso mehr begrüßt Günther die von Papst Franziskus angestoßenen Diskussionen bezüglich des Ausschlusses Geschiedener und Wiederverheirateter vom Abendmahl.

Deutlicher wird eine Zuhörerin aus dem Publikum, die sagt: „Ich schäme mich als Katholikin, dass jemand von der Kommunion ausgeschlossen wird.“ Eine solche „Herrschaftsdemonstration“ laufe den Erfordernissen der Gegenwart völlig zuwider. „Die Zukunft der Welt besteht in Integration und Dialog.“

So wie ihn die Pfarrerinnen und Pfarrer der fünf Westendgemeinden längst führen. Seit Jahrzehnten bauen sie beim gemeinsamen „ökumenischen Frühstückskreis“ Brücken zwischen dem römisch-katholischen, alt-katholischen, lutherischen, unierten und reformierten Bekenntnis. Zumal die Unterschiede in der Lehre für viele Gemeindemitglieder eine weitaus geringere Rolle spielen als für die Kirchenspitzen.

Im Protestantismus ist das Abendmahl neben der Taufe das einzige Sakrament, machte Gita Leber, Pfarrerin der Katharinengemeinde, klar. Obgleich theologisch unterschiedlich interpretiert, sei in ihrer evangelisch-lutherischen Gemeinde der Ablauf nicht sehr viel anders als bei den Katholiken. Eingeleitet von Beichtgebet und Sündenvergebung sammelten sich die Gottesdienstbesucherinnen und -besucher im Halbkreis vor dem Altar, wo alle eine Hostie, eine Oblate, erhalten. Der Wein werde in der Katharinengemeinde aus hygienischen Gründen in Einzelkelchen gereicht, das handhaben die evangelischen Gemeinden aber unterschiedlich. Manche verwenden auch Traubensaft. „Mit dem überzähligen Brot gehen wir sehr sorgsam um und heben es auf, den restlichen Wein geben wir der Erde zurück.“

Bei der Häufigkeit der Abendmahlsfeiern sieht Gita Leber Parallelen zu den reformierten Glaubensgeschwistern. „Früher fürchteten Lutheraner, durch zu häufiges Wiederholen das Abendmahl zu entwerten.“ Sie feierten es daher nur ein- bis zweimal im Jahr. Heute lade man in der Katharinengemeinde einmal im Monat alle, die getauft sind oder eingeladen werden möchten, ein.

In der Personalkirchengemeinde Christus-Immanuel werde schon seit dem 19. Jahrhundert kein Christ vom Abendmahl ausgeschlossen, sagte Pfarrerin Gisela Egler-Köksal. Heute hätten im ökumenischen Zentrum Christuskirche am Beethovenplatz vier Gemeinden unterschiedlicher Denominationen ihr zuhause, und etwas anderes als „konfessionelle Milde“ wäre da geradezu kontraproduktiv.

„Mit der äthiopischen Oromo-Gemeinde feiern wir ab und zu ein gemeinsames Abendmahl, zweimal jährlich teilen alle das Agape-Brot.“ Neben der serbisch-orthodoxen Gemeinde seien dann auch die Mitglieder einer charismatischen chinesischen Gemeinde dabei. „Eine schöne Form der Gemeinschaft“, findet die Pfarrerin, allerdings kein Ersatz für das reguläre Abendmahlssakrament.

Die Vielfalt in der Christuskirche erlebt Gisela Egler-Köksal insgesamt als Bereicherung. So feierten sonntags von neun Uhr morgens bis in den späten Nachmittag die Gemeinden hintereinander ihre Gottesdienste. „Wenn ich gelegentlich daran teilnehme, ist mir vor allem bei den charismatischen Christen vieles fremd. Ich bin trotzdem gern dabei, weil ich spüre, da ist Wahrheit drin.“


Autorin

Doris Stickler 76 Artikel

Doris Stickler ist freie Journalistin in Frankfurt.

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