Gott & Glauben

Die Vorfreude auf die Ewigkeit war früher größer als heute

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Was kommt nach dem Tod und welche Jenseitsvorstellungen gibt es? Darüber sprachen 70 Ärzte und Pfarrerinnen und Pfarrer auf einem Studientag in der Evangelischen Akademie Frankfurt.

Chefarzt und Palliativmediziner Bernd Oliver Maier vom St. Josefshospital in Wiesbaden meint, dass im Krankenhaus eine Diesseitswirklichkeit vorherrscht. |
Chefarzt und Palliativmediziner Bernd Oliver Maier vom St. Josefshospital in Wiesbaden meint, dass im Krankenhaus eine Diesseitswirklichkeit vorherrscht. | Bild: Christian Weise

Der Propst für Rhein-Main, Oliver Albrecht (Wiesbaden), hatte mit einem interdisziplinären Team dazu eingeladen, sich auszutauschen, wie die eigene Jenseitsvorstellung aussieht, ob und wie die Frage, was nach dem Tod komme, in der medizinischen und theologischen Praxis überhaupt gestellt werde. „Was nach dem Tod kommt, das prägt unsere Emotionen, Haltung und Handlungen im Berufsalltag“, sagte Oliver Albrecht.

Der Chefarzt und Palliativmediziner Bernd Oliver Maier vom St. Josefshospital in Wiesbaden erklärte, dass im Krankenhaus eine Diesseitswirklichkeit vorherrsche, denen sich alle beugten. Alles werde daran gesetzt, Patienten zu heilen und dann wieder zu entlassen.

Nur wenn das Diesseits brüchig werde, dann wage der Eine oder die Andere den Blick vom Medizinischen in einen anderen Bereich. Dann kämen auch die Seelsorger in den Blick, die so etwas wie „Experten für das Nicht-Materielle“ seien, so Maier.

Jenseits ist „Nicht-Materiell“ und Bedrohung für Mediziner

Die Kommunikation mit anderen Professionen sei unter anderem deshalb nicht eingeübt, „weil man als Mediziner ja da ist, um die Menschen im Diesseits zu halten.“ Das Jenseits werde oft als eine Art Bedrohung empfunden. Zudem erschwere das unterschiedliche Verständnis des Seelsorgegeheimnis manche interdisziplinäre Kooperation.

„Die Vorfreude auf die Ewigkeit war früher größer als heute“, stellte Propst Albrecht fest. Bernd Oliver Maier betonte, dass das Jenseits erst dann Thema werde, wenn es sich als „alternativlos“ darstelle. Erst wenn man das Leid, das Unerträgliche nicht mehr aushalte, dann würden Menschen das Leben beenden aber nicht mehr vollenden wollen. Maier bezeichnete das als eine „Untröstliche Erlösungsfantasie“. Es gehe heutzutage weniger um ein „Hin Zu“ (dem Jenseits), sondern viel öfter um ein „Weg Von“ (dem Leben).

Ärztinnen und Ärzte sowie Pfarrerinnen und Pfarrer hatten am Tag viel Zeit, in kleinen Gruppen, über die Frage nach dem, was nach dem Tod komme und die Bedeutung für den Berufsalltag zu sprechen. Das Nicht-Materiell oder Nicht-Biologische habe im Medizinstudium überhaupt keine Rolle gespielt, berichteten die Medizinerinnen und Mediziner.

„Patienten wollen aber von mir als Arzt angesprochen werden. Die Frage „was danach kommt“ soll mitgedacht werden. „Aber sie erwarten keine Fertigen Antworten von uns“, beruhigte eine andere Ärztin.

„Wir müssen, neben der Rolle als Ärzte, als Menschen spürbar werden und auch emotional präsent sein, wenn es dran ist“, forderte Bernd Oliver Maier.

Jenseitsvorstellungen anderer Kulturen

Neben dem medizinischen Impuls gab Pfarrer Dr. Vogt einen kabarettistischen und nachdenklichen Einblick in die Jenseitsvorstellungen der unterschiedlichsten Kulturen und Religionen. Von Seelen, die auf der Reise ins Jenseits unterwegs Rast machen und ein Lagerfeuer anzünden, das im Himmel zu sehen ist. Über Polarlichter aus dem Diesseits, die von Lichtern aus dem Jenseits „abgeholt“ würden, vom Licht am Ende des Tunnels, das jeder freundlich empfindet, bis hin zu dem Fluss, den man mit einem Fährmann überqueren muss. Vogt stellte viele verschiedene Bilder und Vorstellungen vor. Selbst in der Bibel gäbe es verschiedenen Jenseitsvorstellungen.

„Was passiert mit einer Gesellschaft, die die Jenseitsvorstellungen verliert?“, fragte Vogt. Und warf ein kritisches Licht auf die vielen Ratgeber, „welche 100 Dinge man getan, welche 100 Orte man besucht und welche 100 Speisen man gekostet haben muss“, bevor man sterbe. Daraus erwachse ein ganz schlimmer Druck sowie die Angst, etwas im Leben zu verpassen. Die Angst vor dem Tod, „also die Mutter aller Ängste“, könne sich so verschlimmern, so der Theologe.

„Der Verstand kann das, was nach dem Tod kommt nicht fassen“, deshalb gebe es so viele Jenseitsbilder, erklärt der Pfarrer, der ein Buch geschrieben hat über „100 Dinge, die du NACH dem Tod auf keinen Fall verpassen solltest.“

Pfarrer und Medizinethiker Kurt W. Schmidt führte die Teilnehmenden durch die cineastische Welt der Jenseitsvorstellung. „Die Jenseitsbilder sind eigentlich von den Altarbildern auf die Leinwand, also von der Kirche ins Kino gewandert“, erklärte er. Das Jenseits im Film könne ganz anders sein, als man erwarte, oder ganz individuell, in den Farben gemalt, die man selbst sich ausdenke. „Können die bereits Gestorbenen oder man selbst, sich auf dem Weg ins Jenseits zurückschicken? Oder gibt es ein Leistungspunktesystem, das entscheidet ob man ins „grüne“ oder „rote“ Jenseits komme?“, waren weitere durch Filmbeispiele ausgelöste Fragen, die das Plenum anschließend diskutierte.

Akademiedirektor Dr. Thorsten Latzel betonte zum Schluss, dass viele Menschen, egal welche Jenseitsvorstellung sie hätten, „die Hoffnung auf eine ausgleichende Gerechtigkeit“ eine. Er schaffte die geistreiche Kehrtwende, in dem er erläuterte, dass die Auferstehung aus naturwissenschaftlicher Sicht durchaus plausibel, theologisch dagegen eigentlich “unglaublich“ sei. Der Direktor zitierte eine Frau, aus einer Umfrage der vierten Kirchenmitgliedschaftsstudie, die auf die Frage nach Ihrer Jenseitsvorstellung antwortete: „Es wird ganz anders sein, als wir denken. Wir werden uns alle wundern. Wir werden da sein, um uns zu wundern. Es wird wunderbar sein.“


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