Gott & Glauben

Haben als hätte man nicht oder: Was es mit dem Kamel und dem Nadelöhr auf sich hat

„Es ist leichter, dass ein Kamel durch ein Nadelöhr gehe, als dass ein Reicher in das Reich Gottes komme” – dieses Wort Jesu (Lukas 18,25) wird gern als antikapitalistischer Kampfruf gegen die Reichen und Superreichen verstanden. In Wirklichkeit hat Jesus weder etwas gegen Reichtum noch gegen Reiche. 

Foto: Dustin Hackert, Flickr.com (cc by-nc-sa)
Foto: Dustin Hackert, Flickr.com (cc by-nc-sa)

Aber worum sonst geht es in diesem Gleichnis? Entscheidend ist das Verhältnis, das zwischen den Gütern und ihrem Besitzer besteht: Hat er sie, oder haben sie ihn? Und vor allem: Ist noch Platz für Gott, wo man der Stimme des Geldes gehorcht?

In der biblischen Geschichte geht es um einen jungen Mann, dem es offenbar gelungen ist, in kurzer Zeit über die Maßen viel Geld zu verdienen. Dennoch hat er sich seinen Sinn für Werte und seine Sehnsucht nach dem Ewigen bewahrt. Daher fragt er Jesus, wie er zum ewigen Leben gelangen kann, und er beeilt sich mitzuteilen, dass er den ethischen Teil des Zehngebots schon immer respektiert habe: „Du sollst nicht ehebrechen; du sollst nicht töten; du sollst nicht stehlen; du sollst nicht falsch Zeugnis reden; du sollst deinen Vater und deine Mutter ehren!” Genügt das nicht? Jesus fordert noch etwas: Er soll seinen ganzen Besitz verkaufen und ihn den Armen geben. Daraufhin ist der Yuppie schmerzlich berührt, denn davon kann er sich nicht trennen.

Jesus stellt hier mitnichten die allgemeingültige Regel auf, dass Reichtum grundsätzlich zu sozialisieren sei und es ihn nicht geben dürfe. Reiche sind nicht von vornherein asozial, und alles den Armen in die Arme zu legen, ist nicht fraglos gut und geboten. Vielmehr stellt Jesus hier ein im Grunde sehr einfaches Kriterium zur Beurteilung der Frage auf, wer eigentlich wen besitzt: der Mensch die Güter – oder umgekehrt? Jeder kann sich die Frage selbst beantworten: Wie leicht fiele es mir, meinen Privatbesitz, also das, was ich für mich und die Meinen an Überschuss aus dem Ertrag meiner Arbeit angesammelt habe, abzugeben?

Erwischt ist, wer auf diese Frage erwidert, der Besitz sei schließlich ehrlich erworben und durch Fleiß verdient, er diene der (Alters-)Vorsorge und der Absicherung der Kinder. Das waren schon immer die vernünftigen Gründe zur Anhäufung von Kapital. Man kann jedoch nicht Gott und dem Geld dienen. Erheblich besser dran ist, wer selbst bescheiden bleibt und mit seinem Besitz Arbeitsplätze schafft.

Jesus warnt vor jeder Hörigkeit gegenüber Geld und Besitz. Sie lauert überall, wo das Haben einen eigenen Wert besitzt, wo man sagt: „Hast du was, dann bist du was”, wo man sich selbst definiert über das, was man besitzt (auch die Statussymbole zählen dazu), wo man meint, das eigene Sein werde durch das Haben aufgewertet.

Der Apostel Paulus empfiehlt statt dessen eine Haltung, die er mit „Haben, als hätte man nicht” benennt: Wer hat, der verhalte sich so, als hätte er nicht (1. Korintherbrief 7,29ff.). Das heißt, dass die Dinge ihr Gewicht behalten, aber ihr Übergewicht verlieren: Es sind (nur) Dinge, die tatsächlich nicht zum eigenen Selbst gehören, auf die man sich nichts einbildet, mit denen man nicht protzt, von denen man sich nicht abhängig macht, die man in ihrer Bedeutung nicht überbewertet, an denen man nicht klebt, von denen man sich nicht fesseln lässt, und von denen man statt besessen innerlich frei ist.


Schlagwörter

Autor

Wilfried Steller 51 Artikel

Wilfried Steller ist Theologischer Redakteur von "Evangelisches Frankfurt und Offenbach" und Pfarrer in Frankfurt-Fechenheim.