Gott & Glauben

Müssen Christinnen und Christen missionieren? Das Thema bleibt kompliziert

Einerseits steht der Missionsbefehl unmissverständlich in der Bibel: Christinnen und Christen haben die Aufgabe, alle Menschen“ zu Jesu Jüngerinnen und Jüngern zu machen. Andererseits ist christliche Mission durch ihre kolonialistische Vergangenheit aus guten Gründen in Verruf geraten. Ein kompliziertes Thema bis heute.

Evangelische Missionskirche in Lüderitz/Namibia. Als sie 1912 erbaut wurde, war das Gebiet im südlichen Afrika deutsche Kolonie. Foto: only_point_five/Flickr.com (cc by-nc).
Evangelische Missionskirche in Lüderitz/Namibia. Als sie 1912 erbaut wurde, war das Gebiet im südlichen Afrika deutsche Kolonie. Foto: only_point_five/Flickr.com (cc by-nc).

Comicleserinnen denken beim Wort Mission vermutlich gleich an die Karikaturen der Missionare des 19. Jahrhunderts, wie sie in den Kochtöpfen der „Eingeborenen“ schmoren („Der Missionar ist gar!“). Der Begriff „Mission“ ist untrennbar mit Kolonialgeschichte verknüpft. Mission gilt als Eingriff in die Selbstbestimmung, als Relikt vergangener Zeiten, als für eine moderne Kirche nicht mehr zeitgemäß. Als überheblicher Ausdruck einer Religion, die sich für etwas Besseres hält. 

Trotzdem kann man heute noch regelmäßig auf der Zeil entschlossene Christinnen und Christen treffen, die den Vorbeigehenden Flugblätter entgegenstrecken und lauthals von Jesus, „der uns alle liebt“, erzählen. Die meisten reagieren darauf nur genervt: Menschen wollen nicht bevormundet und belehrt werden. Sie haben ein großes Unbehagen an Missionierungen aller Art. 

Kein Wunder, dass sich viele von den Missionierungsversuchen damals und heute distanzieren. Allerdings ist der Missionsbefehl (aus dem Matthäusevangelium, Kapitel 28, Verse 16-20) ein zentrales Element der christlichen Botschaft. Was Jesus da sagt, ist ziemlich eindeutig: „Geht zu allen Völkern und macht alle Menschen zu meinen Jüngern; tauft sie auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes, und lehrt sie, alles zu befolgen, was ich euch geboten habe.“ Da bleibt nicht viel Spielraum für Interpretationen.

Wie also umgehen mit diesem komplizierten Thema? Mit dem Spagat zwischen dem Wunsch nach Verbreitung von etwas, das einem selbst so viel bedeutet, nämlich der Botschaft von der Erlösung aller Menschen durch Jesus Christus, und dem gleichzeitigen Respekt für die individuellen Lebens- und Glaubenswege von Menschen? 

Eine Annäherung hat ein Studientag im Frankfurter Haus am Dom versucht. Sind es doch auch die Missionierungsbestrebungen christlicher Gruppen gegenüber Flüchtlingen, die der Diskussion, was der biblische Missionsauftrag meint und wie er heute zu verstehen ist, eine neue Brisanz verleiht. Auf dem Podium waren katholische, evangelische und evangelikale Missionstheologien vertreten. 

„Man kommt nicht als Christ zur Welt – aber man kann Menschen von der eigenen Bindung an den Glauben erzählen“, sagte Markus-Liborius Hermann von der Katholischen Arbeitsstelle für Missionarisches Personal in Erfurt. Es gebe zwei Herangehensweisen an Mission: „Wir können fragen, was beim Anderen fehlt – oder aber, was beim Anderen anders ist.“ Nach dem heutigen Verständnis der katholischen Kirche sei Gottes Liebe aber nicht davon abhängig, ob ein Mensch zum Glauben findet.

Wer andere zum christlichen Glauben einlade, müsse drei Dinge beachten, so der Katholik: „Glaubwürdig sein, mit Demut über seinen Glauben sprechen und Vorfreude wecken.“ Den Erfolg von Mission zu beziffern, sei schwierig, denn der lasse sich nicht bloß am Mitgliederzuwachs der Kirchen ablesen.

Die evangelische Theologin Uta Andrée von der Missionsakademie der Universität Hamburg betonte, es gebe „auch im Bereich der evangelischen Landeskirchen nicht die eine Sicht auf Mission“. Spätestens seit dem Zweiten Weltkrieg sei religiöses Sendungsbewusstsein in Deutschland „nicht mehr so verbreitet“.

Mission werde zunehmend als Partnerschaft mit bereits bestehenden Kirchen in den Ländern des globalen Südens begriffen. „Wir können das Nachdenken über Mission nicht den Missionaren überlassen“, sagte Andrée. Für falsch hält sie allerdings die durchaus verbreitete Sicht, dass jegliche Tätigkeit der Kirche „im weitesten Sinne Mission“ sei.

Der Theologieprofessor Thomas Schirrmacher ist Vorsitzender der Theologischen Kommission der Weltweiten Evangelischen Allianz und seit 2014 Präsident des Internationalen Rates der „International Society for Human Rights“. Er soll an diesem Nachmittag als Vertreter der Evangelikalen sprechen, macht aber klar, dass es sich dabei nicht um eine einheitliche Richtung handle, sondern um eine zersplitterte Bewegung.

„Mission, wie wir sie heute in Deutschland sehen, gilt in afrikanischen Ländern oder Indien als verschlafen“, so seine Erfahrung. Es gebe Gegenden, da sei es durchaus normal, „mit dem Höllenfeuer zu drohen“. Die evangelikale Bewegung sei überwiegend eine Bewegung des globalen Südens. Mission sei einerseits „die DNA des christlichen Glaubens“, andererseits könne es aber „keinen Zwang im Glauben“ geben.

Die Debatte wird wohl spannungsgeladen bleiben. 


Autorin

Anne Lemhöfer 144 Artikel

Anne Lemhöfer interessiert sich als Journalistin und Autorin vor allem für die Themen Kultur, Freizeit und Gesellschaft: www.annelemhoefer.de