Gott & Glauben

„Wir sind keiner politischen Richtung verbunden – außer nach oben, zu Gott“

Ein Interview mit Mircea Deac (38), dem Pfarrer der Rumänisch-Orthodoxen Gemeinde Frankfurt, und mit  Cristian Jaloba (46), geweihter Unterdiakon und in der Frankfurter Gemeinde als Chorleiter und Vorstandsmitglied tätig. 

Priester Mircea Deac (links) und Unterdiakon Cristian Jaloba (rechts) leiten die rumänisch-orthodoxe Gemeinde in Frankfurt.  |  Foto: Rui Camilo
Priester Mircea Deac (links) und Unterdiakon Cristian Jaloba (rechts) leiten die rumänisch-orthodoxe Gemeinde in Frankfurt. | Foto: Rui Camilo

Herr Deac, Sie sind Pfarrer der rumänisch-orthodoxen Gemeinde in Frankfurt. Seit wann gibt es die?

Deac: Noch nicht lange. Am 18. Dezember 2016 haben wir den ersten Gottesdienst gefeiert im neuen Domizil, dem Saal der evangelischen Dreifaltigkeitsgemeinde in der Funckstraße im Stadtteil Kuhwald. Den dürfen wir sonntags mieten, das freut uns sehr. Wir hatten zuvor vier Jahre nach einem passenden Ort für uns gesucht.

 Wie viele Mitglieder haben Sie?

Deac: Etwa 150 Menschen besuchen regelmäßig unsere Gottesdienste, die bis zu drei Stunden dauern können. Neulich habe ich mir die aktuellen Zahlen aus dem Römer angeschaut: Rund 10.000 Rumäninnen und Rumänen leben in Frankfurt. 90 Prozent von ihnen sind orthodox.

Herr Jaloba, Sie sind geweihter Unterdiakon der Frankfurter Gemeinde und leiten den Chor. Wie ist Ihr Eindruck: was für Menschen kommen zu Ihren Gottesdiensten?

Jaloba: Viele von ihnen sind neu in Frankfurt oder im Rhein-Main-Gebiet. Sie suchen Gemeinschaft, aber auch Hilfe bei ganz praktischen Dingen: mit Formularen von Behörden, mit dem Gesundheitswesen oder auch bei der Schulanmeldung ihrer Kinder. Hier im Ausland wie auch in Rumänien erfüllt die Kirche neben der primären liturgischen auch eine soziale und kulturelle Funktion. 

Rumänien ist seit 2007 EU-Mitglied, die volle Arbeitnehmer-Freizügigkeit erlangten Ihre Landsleute im Januar 2014. Sind die rumänisch-orthodoxen Gemeinden in dieser Zeit gewachsen?

Jaloba: Ja. Vor allem nach 2011 kamen sehr viele Zuwanderinnen und Zuwanderer in die Region.

Suchen auch viele arme Menschen bei Ihnen Hilfe?

Jaloba: Die meisten unserer Gemeindemitglieder sind gut ausgebildet. Aber wie erleben auch die andere Seite der Zuwanderung. Manchmal kommen ganze Familien, in denen niemand Arbeit hat. Auch denen stehen wir natürlich mit Rat und Tat zur Seite.

Pflegen Sie Kontakte zu anderen orthodoxen Kirchen in Frankfurt?

Jaloba: Zum Teil. Wir sind sehr eng verbunden mit den Griechen, die haben ihre Kirche ganz in der Nähe in der Solmsstrasse. Ostern ist das größte Fest für uns, welches von allen orthodoxen Kirchen am selben Termin gefeiert wird, Weihnachten feiern wir in Rumänien allerdings nach dem gregorianischen Kalender im Dezember, andere orthodoxen Kirchen hingegen Anfang Januar.

Welche Feste feiern Sie noch?

Jaloba: Eine große Bedeutung hat für die Orthodoxie das Fest der Kreuzerhöhung am 14. September. Traditionell pilgern die hessischen rumänischen Gemeinden da in den Limburger Dom. Am dritten Sonntag der Osterfastenzeit, am „Sonntag des Kreuzes“ pilgern wir Rumänen zusammen mit anderen Orthodoxen wie Russen und Serben ebenfalls nach Limburg. Ich versichere Ihnen: Der Dom ist jedes Mal voll! In diesen Tagen feiern wir das Fest der Taufe Christi und sind dazu von der Griechischen Kirche zu einer Prozession am Main eingeladen worden.

Wie verwurzelt sind die orthodoxen Gemeinden in den Frankfurter Stadtteilen? Gibt es da offenere und weniger offenere?

Deac: Unsere Gemeindemitglieder wohnen im ganzen Rhein-Main-Gebiet verstreut und sind daher nicht im Stadtteil Kuhwald verwurzelt. Daher haben wir nur wenige Beziehungen zur Nachbarschaft. Aber natürlich ist jeder eingeladen, mal einen Liederabend bei uns zu besuchen oder im Gottesdienst vorbeizuschauen. Bei den anderen orthodoxen Gemeinden ist es ähnlich, soviel ich weiß. Um bewusste Abschottung handelt es sich nicht.

Das heißt, Sie als Pfarrer sind auch gut unterwegs.

Deac: Oh ja. Ich fahre bis zu 1000 Kilometer in der Woche, besuche Familien, deren Kinder getauft werden sollen, oder in denen es einen Trauerfall gegeben hat. Neugeborene muss ich nach orthodoxem Recht spätestens acht Tage nach der Geburt besuchen, das Baby bekommt dann einen Namen und ich spreche ein Gebet für die Mutter.

Wie ist es um die politische Ausrichtung der orthodoxen Gemeinden bestellt? Wie stehen sie zum aktuellen Rechtsruck in Mittel- und Osteuropa?

Jaloba: Wir sind keiner politischen Richtung verbunden – außer nach oben, zu Gott. Außerdem ist der Rechtsextremismus in Rumänien weniger verbreitet als anderswo im Osten. In Rumänien ringt man eher zwischen den Polen Kapitalismus und Protektionismus. Priester engagieren sich nicht politisch. Ich denke, die Kirche sieht es nicht als ihre vornehmliche Aufgabe zu entscheiden, ob etwa Putin in Russland gut oder schlecht ist. Wichtig ist, wie Russland sich insgesamt gesellschaftlich entwickelt. Auch bei uns in Rumänien ist das so. Die Kirche macht keine Parteiarbeit. Alles, was passiert, wird letztlich an der Lehre der Kirche gemessen.

Pflegen Sie auch Kontakte zur Community der Roma?

Jaloba: Auch Roma besuchen ab und zu unsere Gottesdienste und lassen ihre Kinder bei uns taufen. Das ist den Familien sehr wichtig. 

Mircea Deac (38) ist Pfarrer der Rumänisch-Orthodoxen Gemeinde Frankfurt. Er lebt seit sieben Jahren in Deutschland, bis 2016 arbeitete er als Pfarrer in Koblenz. Deac hat im transsilvanischen Alba Iulia Theologie studiert und war elf Jahre als Priester in Rumänien tätig. Er hat eine Tochter und lebt im Westerwald. 

Cristian Jaloba (46), ist geweihter Unterdiakon und in der Frankfurter Gemeinde als Chorleiter und Vorstandsmitglied tätig. Er ist Diplom-Ingenieur und lebt mit seiner Familie in Frankfurt.


Autorin

Anne Lemhöfer 139 Artikel

Anne Lemhöfer interessiert sich als Journalistin und Autorin vor allem für die Themen Kultur, Freizeit und Gesellschaft: www.annelemhoefer.de