Kunst & Kultur

Die Orgel des Monats Mai: Klangwelt der Romantik in der Französisch-Reformierten Kirche

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Das von der Firma Walcker 1838 gebaute Instrument überzeugt mit seiner besonderen Luftzufuhr.

Ein beachtliches Instrument mit besonderer Klangqualität  |  Foto: Rolf Oeser
Ein beachtliches Instrument mit besonderer Klangqualität | Foto: Rolf Oeser

Die Walcker-Orgel der Französisch-Reformierten Gemeinde an der Offenbacher Herrnstraße ist die „Orgel des Monats Mai“ im Evangelischen Stadtdekanat Frankfurt und Offenbach. Anlässlich des „Jahres der Orgel“, das bundesweit 2021 begangen wird, rückt jeden Monat eine der Orgeln in den evangelischen Kirchen im Stadtdekanat in den Fokus.

Zierlich steht sie da zwischen den modernen Gebäuden der Offenbacher Innenstadt, die Kirche der Französisch-Reformierten Gemeinde aus dem 18. Jahrhundert. Im schlicht gestalteten Innenraum erwartet das Publikum ein echtes Schmuckstück: die Walcker-Orgel aus dem Jahr 1838.

Die Orgelbaufirma Walcker prägte die Orgellandschaft Hessens im 19. Jahrhundert bis weit ins 20. Jahrhundert hinein. Unmittelbar nach dem Bau der Frankfurter Paulskirchenorgel beauftragte die Offenbacher Französisch-Reformierte Gemeinde Eberhard Friedrich Walcker aus Ludwigsburg mit einem Orgelneubau. Dieser wurde als Opus 30 mit zunächst 13 Registern fertiggestellt. Viele Teile dieser ursprünglichen Orgel wie Teile des Pfeifenwerks, Windanlage und Windladen sind noch heute erhalten. Was die Orgel aber zu einem ganz besonders denkmalwerten Instrument macht, ist ihre pneumatische Traktur.

Mit dem Begriff Traktur ist die Verbindung von der Taste zum Spielventil gemeint. „Pneumatisch“ bedeutet dabei so viel wie „mit Luft bewegt“. Natürlich wird in einer Orgel viel Luft bewegt – bei all den Pfeifen. Neu war jedoch zu dieser Zeit, dass nicht mehr nur die Tonerzeugung mittels Luft geschah, sondern auch die Verbindung von der Taste zum Ventil nicht mehr wie bisher über Holzleistchen, sondern über ein pneumatisches System mittels Luftdruck gesteuert werden konnte – eine enorme Innovation im Orgelbau. Die Offenbacher Walcker-Orgel steht noch ganz am Anfang der Blütezeit pneumatischer Orgeln und ist eines der wenigen Instrumente, bei denen sich diese Technik erhalten hat – denn natürlich ist die Mechanik für ein solches System aufwändig und es bedarf eines besonderen Einfühlungsvermögens durch den Organisten. So liefert diese Orgel einen unverwechselbar lebendigen Klang, der im wahrsten Sinn des Wortes „atmet“. Das Instrument ist zu romantischen Klangentwicklungen in der Lage, die die Kompositionen aus der Zeit unbedingt erfordern.

Gleichwohl war es mit 13 Registern in übersichtlicher Größe gehalten. 1905 wurde die Orgel deshalb durch Carl Walcker als Opus 1294 auf 22 Register und 5 Transmissionen erweitert, um auch Werke der Hochromantik mit vollerem Klang adäquat umsetzen zu können.

Im Krieg wurden Kirche und Orgel beschädigt; 1954 wurde das Instrument instand gesetzt und umgebaut, der Klang änderte sich in Richtung des damals beliebten Barock. Weitere Reparaturen und kleinere Umbauten folgten.

2016 wurde eine umfassende Renovierung durch die Dresdener Orgelbaufirma Jehmlich umgesetzt. Dabei wurde auf der Basis einer Rückbesinnung auf die historische Gestalt der romantische Charakter der Orgel wiederhergestellt. So atmet die Walcker-Orgel heute wieder den Geist der Romantik, kann in die damalige Klangwelt entführen und strahlt in altem Glanz.


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