Kunst & Kultur

Evangelischer Buchpreis für Abbas Khiders Roman „Der Erinnerungsfälscher“

In seinem Roman erzählt der gebürtige Iraker von den Härten der Flucht, Erlebnissen mit deutschen Behörden und Ausgrenzung im Alltag.

Abbas Khider: Der Erinnerungsfälscher. Carl Hanser Verlag, München 2022, 125 Seiten, 19 Euro
Abbas Khider: Der Erinnerungsfälscher. Carl Hanser Verlag, München 2022, 125 Seiten, 19 Euro

Kurz nach einem Podiumsgespräch in Mainz erfährt Said Al-Wahid, dass seine Mutter im Sterben liegt, und möchte sofort nach Bagdad fliegen. Dabei wollte er eigentlich seinen ersten schriftstellerischen Erfolg mit seiner kleinen Familie in Berlin feiern. Aber seinen Reisepass hat er immer dabei, und es fällt ihm wieder ein, dass es fast ein Wunder ist, dass er ihn besitzt. Doch seine Erinnerungen kommen ihm trügerisch vor.

Mit dem Autor Abbas Khider teilt Said das Trauma der Diktatur im Irak, Fluchterfahrungen und Heimatlosigkeit. Ich-Erzähler Said will daran verzweifeln, dass er sich oft nicht mehr richtig erinnern kann. Dann hilft er sich selbst. Er füllt die Lücken im Gedächtnis schreibend. Wie wahr oder falsch seine Erinnerungen sind, spielt keine Rolle mehr. Sie sind realitätsgesättigt und streifen alle wesentlichen Fragen der Flüchtlingsdiskussion, verstörend, aber manchmal auch unvermutet, wundervoll poetisch.

In klaren, schnörkellosen Sätzen und nicht ohne Humor erzählt Khider vom Absurdistan deutscher Behörden und teuren Anwälten, von Ausgrenzung im Alltag, den Härten auf der Flucht, dem Chaos im Irak unter der Diktatur und schmerzhaften Verlusten in der eigenen Familie. Ein schmales, aber „großes“ Buch, ein gelungenes Spiel mit Wahrheit und Dichtung.

„Der Erinnerungsfälscher“ hat den Evangelischen Buchpreis 2023 erhalten. Der Leser:innenpreis ist mit 5.000 Euro dotiert. Er wird seit 1979 vom Dachverband evangelischer öffentlicher Büchereien, dem Evangelischen Literaturportal, verliehen.


Autorin

Stephanie von Selchow ist Redakteurin des EFO-Magazins.

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