Das wird toll, wenn das Kind einmal das Werk von Hermann Hesse entdeckt, dachte ich. Doch dann kam Jessie Bluegrey.

Moment, nein: @jessiebluegrey. Es war ein ganz normaler Donnerstag, als mich das Kind, fast zwölf, auf dem Handy anrief. „Maaamaaa, morgen kommt Jessie Bluegrey in den Hugendubel zur Signierstunde, biiiitttte darf ich mit meinen Freundinnen hin... um 15 Uhr, biiiiiitttte!!“

Okay, meine Tochter fragt mich, ob sie an einem Freitagnachmittag eine Buchhandlung aufsuchen darf, weil dort ihre Lieblingsautorin Bücher signiert. Das freut doch das Mutterherz. „Na klar darfst du. Aber... Jessie wer?“ Nie zuvor habe ich mich so alt gefühlt wie in diesem Moment. „Maamaa, sie ist eine Influencerin und hat 2,2 Millionen Follower auf TikTok, jeder kennt Jessie Bluegrey.“ Jeder. Alles klar.  

Natürlich schaue ich nach dem Anruf gleich nach. „Hallo, mein Name ist Jessie und ich liebe Kakao :- )“ begrüßt mich eine junge Frau mit Pferdeschwanz, die gerade eine Handyhülle mit Glitzerpuder und einer Tube Kleber bearbeitet. Könnte sie sich nicht stattdessen wenigstens engagiert auf einer Straße festkleben?

Vermutlich geht es mir gerade so, wie es allen Elterngenerationen seit Anbeginn der Menschheit geht: Die Kinder machen irgendwann ihr eigenes Ding. Hat Hermann Hesse letztlich auch getan.