Urbanes Flair kommt nicht aus etablierten Institutionen
Das Setting des Salons „Kunst Kontrovers“ in der Evangelischen Akademie Frankfurt am Römerberg mutet zunächst ungewöhnlich unaufgeräumt an: Chaotische Sitzordnung, eine Art Podium, Publikum. Irgendwann ist klar, wer welches Interesse oder welche Institution vertritt, welche Forderungen stellt. Zusammengekommen sind hier die noch junge „Koalition der Freien Szene Frankfurt“, ein Zusammenschluss von unabhängigen Kunstschaffenden und kleinen kreativen Projekten, sowie Vertreter*innen der Frankfurter Stadtregierung und Interressierte.
Die freien Künstler*innen wollen deutlich machen, dass eine Stadt wie Frankfurt nicht allein von großen, leuchtturmartigen Kunst- und Kulturgütern wie dem Städel oder der Neuen Altstadt lebt. Sondern dass die Stadt ihr urbanes Flair erst durch gelebte Subkultur gewinnt, durch eine funktionierende freie Szene, durch Kunst und Kultur im öffentlichen Raum. Genau dies droht ihrer Ansicht nach aber zu verschwinden, durch mangelnde politische Unterstützung und Willen, durch fehlende Räume für Schaffende der Szene aufgrund explodierender Immobilienpreise, durch einen in Schieflage geratenen Fokus auf das konventionelle Angebot großer Häuser.
Geld wäre eigentlich da. Anfang 2018 hat Frankfurt eine Tourismusabgabe eingeführt. Wie das Geld verteilt wird, darüber entscheidet ein Beirat aus Mitgliedern der Industrie- und Handelskammer, der Tourismus und und Congress GmbH, Stadtverordneten und Stadträten. Die „Koalition der Freien Szene Frankfurt“ möchte von dieser Abgabe nun auch profitieren. „Wir sind der Humus der Frankfurter Stadtgesellschaft!“ sagt Haike Rausch, eine ihrer Sprecherinnen. Der Beirat aber will, dass auch der lokale Einzelhandel von der Abgabe profitiert, so der kulturpolitische Sprecher der CDU im Römer, Thomas Dürbeck. Haike Rausch und ihre Mitstreiter*innen finden das skandalös: Hier würden wirtschaftliche Interessen über die der Frankfurter Subkultur gestellt.
Dass der Tourismusstandort Frankfurt weiter an ökonomischer Bedeutung gewinnt, mag im Interesse der Frankfurter Stadtpolitik sein. Aber ist es auch im Interesse der Frankfurter Bürger*innen? In welcher Stadt wollen wir leben? In einer lärmverschmutzten, durchgestylten, berechenbaren und von Leuchtturmprojekten strahlenden Stadt? Wo die durch solche Strukturen verursachten gesellschaftlichen Scherben und ihre Nebenwirkungen unsichtbar bleiben?
Ein Ringen um die Frage, wem die Stadt, wem Frankfurt gehört, ist im Gange. Gut so.
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