Kunst & Kultur

Youtube kann mehr als eine Rolle rückwärts

Sie ist jung und sympathisch, vertritt aber höchst problematische Ansichten: Mit der christlichen Influencerin Jana Highholder tut sich die evangelische Kirche keinen Gefallen.

Was vielen etablierten Organisationen fehlt, das hat die evangelische Kirche bereits – ein Gesicht auf Youtube. Jana Highholder, 20 Jahre alt, Medizinstudentin in Münster und Poetry-Slammerin, ist seit einem Jahr das Gesicht von „Jana glaubt“, dem Youtube-Format der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD). Dafür hat man sich von Mediakraft Networks beraten lassen, die schon Youtube-Stars wie LeFloid, Unge oder Die Lochis groß machten.

Vielleicht hätte die Kirche einen so wichtigen Posten nicht auslagern sollen. Das Vorgehen zeigt, wie wenig ernst sie virtuelle Verkündigungswege noch immer nimmt – Hauptsache, man hat irgend jemanden. Hauptsache, es wirkt alles jung und vermeintlich hip. Auf dem Kanal sagt Jana, die auch mal ganz authentisch im Schlabberpulli am Schreibtisch sitzt, so Sätze wie: „Das mag eine konservative Haltung sein, und dennoch wünsche ich mir einen Mann, der Entscheidungen nach außen trägt.“

Sie wolle einen Mann, „der eine führende Position hat im Sinne von: Hey, ich führe dich näher hin zum Kreuz.“ Sie könne sich einem Mann unterstellen – wenn er sie liebe wie Christus die Gemeinde. Dazu schwülstige Musik, ein paar schnelle Schnitte, ganz viel „hey“, „definitiv“, „mega“. Popkultur und Fundamentalismus schließen sich nicht aus, im Gegenteil.

Ist es klug, dass ausgerechnet jemand ohne theologische Grundausbildung in offizieller Mission für die evangelische Kirche bei Youtube unterwegs ist? Scheinbar so ganz „aus dem Bauch heraus“?

Bibeltreu, total sympathisch und manchmal frech: Highholders Agenda ist keineswegs eine individuelle. Sie ist eine Vertreterin der so genannten „Generation Lobpreis“ und gehört zu einer Gruppe hochreligiöser Jugendlicher, die regelmäßig beten, in der Bibel lesen und Lobpreis-Musik hören – aber kaum Anbindung an kirchliche Institutionen haben, wie die Autoren der empirica-Jugendstudie von 2018 schreiben. Ganz weit weg vom Radius der EKD also.

Jana Highholder ist Teil einer wachsenden Schar christlicher Influencerinnen und Influencer, den „Christfluencers“, die im besten evangelikalen Geist statt für Lippenstifte und Bluetooth-Boxen für Gott und das wörtliche Verständnis der Bibel werben. Sie sehen gut aus, geben sich lässig und predigen gegen Sex vor der Ehe, Homosexualität und Pornos.

Lisa Stowasser zum Beispiel, aka LiMarie. Sie sagt: „Also ich persönlich finde einfach, Mann und Frau passen super zusammen, fertig. Und ja klar, die Bibel sagt halt schon, dass Homosexuelle – dass Gott das nicht mag und dass er Mann und Frau geschaffen hat. Also, das vertrete ich schon auch.“ Auf Instagram teilen Accounts wie togetheringod täglich Bibelsprüche als motivierende Spruchbilder und werden von Tausenden gelikt.

Gerade hat die EKD den Vertrag von Jana Highholder um ein weiteres Jahr verlängert. Schade, denn dieses Internet kann viel mehr, als für eine theologische Rolle rückwärts zu werben.


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Autorin

Anne Lemhöfer 139 Artikel

Anne Lemhöfer interessiert sich als Journalistin und Autorin vor allem für die Themen Kultur, Freizeit und Gesellschaft: www.annelemhoefer.de

4 Kommentare

7. Juni 2019 22:29 Martin Lommel

Glücklicherweise gibt es auch noch andere Accounts , die von Landeskirchen unterstützt werden. Beispielsweise @theresaliebt https://twitter.com/theresaliebt?s=09

18. Juni 2019 19:58 Susanna Schneller

»Hauptsache, es wirkt alles jung und vermeintlich hip.« Der EKD geht es nicht in erster Linie darum, das Christentum zu »modernisieren« (und somit attraktiver zu machen), sondern die Botschaft des Christentums, die zeitlos ist, zugänglich zu machen. Und für diese Aufgabe wirkt eine junge Christin, die der jetzigen Generation auf Augenhöhe begegnen kann, natürlich sehr ansprechend. Daran ist doch nichts verkehrt. »Sie ist eine Vertreterin der so genannten „Generation Lobpreis“ und gehört zu einer Gruppe hochreligiöser Jugendlicher, die regelmäßig beten, in der Bibel lesen und Lobpreis-Musik hören (...)« Bei dieser Aussage musste ich auf der einen Seite etwas schmunzeln, aber auf der anderen Seite hat mich diese Auffassung auch etwas erschrocken. Der Begriff »hochreligiös« ist nämlich nicht nur überspannt, sondern v.A. auch sehr missverständlich. Das hört sich so an, als ob wir komplett isoliert von der Außenwelt und verblendet von unserem Glauben in den vier Wänden der Kirche sitzen und 24/7 Bibel lesen. »(...)aber kaum Anbindung an kirchliche Institutionen haben« Auch wenn ich es sehr fragwürdig finde, wie sie darauf kommen, dass evangelische Kirchen oder Freikirchen nicht als kirchliche Institutionen gelten, meine ich, Ihren Punkt zu verstehen. Gerade Freikirchen mit ihrer lebendigen Jugendarbeit, ihren modernen Lobpreisliedern und ihrer eher toleranteren Haltung weichen sehr vom Kirchen-Klischee ab: Von einer typisch katholischen Kirche kennt man es eher, fromm die Kirchenbank zu drücken, zur Orgelmusik zu singen und im Grunde genommen kein Wort von dem, was der Pfarrer predigt, zu verstehen. Auch wenn ich persönlich die kath. Kirche liebe, ist das meiner Auffassung nach das, was unter das allgemeine Verständnis von »Kirche« fällt und es wird klar, warum die Kirche so unattraktiv wirkt.

18. Juni 2019 19:59 Susanna Schneller

Natürlich stellt sich jetzt die Frage: Ist im Gegensatz dazu diese liberale, modern wirkende Form der Kirche überhaupt noch mit dem ursprünglichen Christentum vereinbar? Nun ja, der Kern des Christentums ist Christus. Christus zog die Massen an wie ein Magnet. Das, was Ihn in den Augen der Menschen so attraktiv machte, war Seine Hingabe. Er verdammte die Menschen nicht, wie es die Pharisäer (religiösen Oberhäupter) taten, sondern suchte die von der Gesellschaft Verdammten. Er versteckte sich nicht in den vier Wänden der Kirche, sondern Er war für die Menschen präsent, auch wenn es Ihn am Ende das Leben kostete. Und darum geht es wohl auch der EKD, darum geht es Jana: Sich nicht der Bequemlichkeit halber in den vier Wänden der Kirche aufzuhalten, sondern präsent zu sein, auch wenn man selbst dafür hinhalten muss. Ich bin mir sicher, dass Jana klar war, dass sie sich ins Kreuzfeuer der Kritik begeben würde und dass sie sich darüber nicht allzu sehr freute. Aber scheinbar nahm sie ihren Glauben ernst genug, um sich damit an die Öffentlichkeit zu wagen. Glaube ist etwas Lebendiges, das ist es, was Jesus vorlebte. Glaube findet nicht einmal die Woche in der Kirche statt, sondern Glaube ist lebensverändernd. Wer das nicht begreift, der hat die Botschaft des Christentums nicht verstanden und sollte diejenigen nicht angreifen, die es begriffen haben und mit ihrem Gesicht dafür einstehen. »Ist es klug, dass ausgerechnet jemand ohne theologische Grundausbildung in offizieller Mission für die evangelische Kirche bei Youtube unterwegs ist?« Als Gläubige benötigt man keine Qualifikation. Trotzdem kann ich Ihnen versichern, dass man sich sogar in Jugendgruppen von »unseriösen, modernen Gemeinden« einen riesigen Umfang an Bibelwissen aneignet. Auch wenn das nicht so wäre, hat jeder die Freiheit, eine Bibel zur Hand zu nehmen und diese zu studieren. In früheren Zeiten wäre das übrigens nicht möglich gewesen, da diejenigen, die für Sie vermutlich in die Kategorie seriöse, kirchliche Institution fallen würden, für eigene Zwecke sicherstellten, dass die Leute nicht erfahren würden, was in der Bibel steht.

19. Juni 2019 17:10 Melissa Bombert

Mit Jana habe ich als eher fromme junge Frau endlich wieder jemanden, dem ich innerhalb der EKD gerne zuhöre. Fromm, das bedeutet für mich: "regelmäßig beten, in der Bibel lesen und Lobpreis-Musik hören." Damit bin ich, wie Sie schreiben, weit weg vom Radius der EKD. Schade eigentlich, ich dachte immer, dafür wäre die Kirche ein guter Ort. Danke jedoch dafür, dass Sie das aufschreiben, was ich schon lange spüre: Für meinen lebendigen (toleranten - ja, das geht, man kann "hochreligiös" sein und gleichzeitig keine Rückwärtssaltos drehen) Glauben ist kein Platz in vielen Teilen der EKD. Im Gegensatz zu Jana erreichen mich viele Pastor*innen nicht mehr. Nicht etwa, weil diese theologisch nicht gut genug ausgebildet wären, sondern vielmehr deshalb, weil sie mir nichts zu sagen haben. Ich sitze in der Bank und frage mich, ob die Person hinter der Kanzel das was sie betet überhaupt glaubt oder ob da nicht noch eine größere Botschaft ist als "Die Liebe ist sehr wichtig" und warum mir diese niemand weitergibt. Ich vermisse Jesus in unserer Kirche. Jana lebt etwas, was ich so sehr vermisse: Wovon ihr das Herz voll ist, geht ihr der Mund über. Und das ist nun mal ihre Liebe zu Jesus. Das wünsche ich mir von Christ*innen. Ich habe nun fast jedes Video von Jana gesehen. Was ich dort nicht gesehen habe, ist Intoleranz. Jana hat ihren Glauben und ihre Ansichten. Aber nie präsentiert sie diese auf eine Weise, die anderen ihren Standpunkt verbietet. Toleranz und Pluralität in der Kirche - Das lebt Jana. Von Feindlichkeiten gegen Homosexuelle findet man nichts. Auch ihr ach so furchtbares Frauenbild ist etwas, was sie als starke Frau und nicht als Teil eines schwachen Geschlechtes vertritt - das würde man mit besserer Recherche auch verstehen. Liebe Redaktion, Jana hier in einem Atemzug zu nennen mit LiMarie, die einer Kirche angehört, vor der Sektenforscher warnen ist nicht nur wahnsinnig dreist, sondern auch noch schlecht recherchiert. Jana entscheidet über ihre Worte übrigens nicht alleine. Sie arbeitet in einem Team und stimmt sich mit Menschen aus der EKD ab. Für das Video über ihr Frauenbild, dass Sie hier nach Monaten mal wieder ausgegraben haben (gab es keine anderen "Skandale"?) hat sie sich eine Theologin eingeladen, die die andere Seite vertreten hat, oder vielleicht besser, vertreten sollte. Dass diese sich im Nachhinein davon distanziert hat, anstatt während des Drehs für stärken Diskurs zu sorgen, ist nochmal eine ganz andere Sache. Dies hier ist leider der unreflektierteste, einseitigste und Inhaltlich schwächste Artikel über JanaGlaubt den ich je gelesen habe.

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