Angst vor dem virtuellen Monster-Mädchen
Dass irgendetwas bei ihren Erstklässlerinnen im Gange war, merkte Christiane Lange, als vier Mädchen 25 Minuten lang nicht aus der Toilette kamen. Später sagten sie, sie hätten Angst gehabt, rauszukommen – „wegen Momo“, wie die Grundschullehrerin an der Pestalozzischule im Riederwald erzählt. Ein anderes Kind habe verkündet, es gehe jetzt nach Hause, denn ihm wäre schließlich sein Leben lieb – auch „wegen Momo“.
Momo ist eine Kunstfigur aus dem Internet, die seit einiger Zeit in Grundschulen Angst und Schrecken verbreitet. Das Monster-Mädchen verteilt Aufgaben – sogenannte „Challenges“ – und droht Strafen an, wenn man nicht, wie verlangt, bis morgen ein anderes Kind in den Bauch getreten oder gar etwas Schlimmeres getan hat.
Wer versucht, den Ursprung von Momo zu ergründen, findet nicht viel. „Momo“ ist ein Hoax, also ein Phänomen, das erst durch das Reden darüber überhaupt entstanden ist. Es gibt keinen klar definierten Bösewicht, der kleine Kinder verschreckt, sondern die Quelle von Momo sind letztlich alle: Da kursieren Geschichten von angeblichen WhatsApp-Nachrichten, die kleinen Kindern Angst machen. Eine Zeitung in Südamerika führt den Suizid eines Kindes auf Momo zurück, was andere Medien dann in alle Welt verbreiten, während Youtuber voller Grusel erzählen, wie sie Momo angeblich begegnet sind. Durch ihre Clips landet Momo irgendwann tatsächlich auf den Bildschirmen kleiner Kinder, die die Geschichten für echt halten und Angst kriegen. Eltern und Pädagogen sind alarmiert, ältere Kinder lernen, dass Momo-Geschichten eine prima Möglichkeit sind, Kleineren Angst zu machen. Und immer so weiter.
„Teufelskreis“ nennt man diesen Mechanismus, ein treffender Name. Was also tun? Natürlich muss man das Ganze ernst nehmen. Momo ist zwar „nur“ ein Hoax, aber die Angst der Kinder ist ja echt. Gleichzeitig sollte man vorsichtig sein und die Sache nicht unnötig aufbauschen. Denn ohne die vielen dramatisierenden Berichte über das Phänomen Momo hätte sich der Hoax gar nicht erst so verbreiten können. Das ist nun einmal das Lebenselexier des Teufels: Er lebt davon, dass die Menschen ihn irgendwie interessant finden.
0 Kommentare
Zu diesem Artikel wurden noch keine Kommentare verfasst. Schreiben Sie doch den ersten.