Leben & Alltag

Im Café Rothschild arbeiten hörende und gehörlose Jugendliche zusammen

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In der Gastronomie herrscht oftmals ein rauer Ton. Teamarbeit ist gefragt. Umso mehr, wenn auch junge gehörlose Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter dabei sind. Die Verständigung im Café Rothschild klappt meistens. Und wenn nicht, ist Improvisieren angesagt. Von Carina Dobra.

Fachanleiterin Anke Botta betreut im Café Rothschild in der Philipp-Holzmann-Schule im Westend den gehörlosen Danish Ahmad in der Küchenausbildung. Das Café Rothschild ist ein inklusives Ausbildungs- und Qualifizierungsprojekt des Evangelischen Vereins fü
Fachanleiterin Anke Botta betreut im Café Rothschild in der Philipp-Holzmann-Schule im Westend den gehörlosen Danish Ahmad in der Küchenausbildung. Das Café Rothschild ist ein inklusives Ausbildungs- und Qualifizierungsprojekt des Evangelischen Vereins fü

„Ich war das nicht“, schreit Sophie gegen den lauten Knall an. Der Mülleimer vor der Küche des Bistros Rothschild an der Philipp-Holzmann-Schule im Frankfurter Westend ist umgefallen. Alle lachen, auch wenn Danish und Ikram den Lärm nicht oder wenn nur ganz leise gehört haben müssen.

Danish ist gehörlos, seine Kollegin Ikram schwerhörig. „Wir lachen sehr viel“, übersetzt Gebärdensprachdolmetscherin Iken Hofer die Hand- und Lippenbewegungen von Danish. Der 19-Jährige ist seit August in der Berufsvorbereitung im Café Rothschild. Nebenbei macht er seinen Hauptschulabschluss. Eigentlich wollte er gar nicht in die Gastronomie. Eine Lehrerin der Gehörlosenschule Friedberg, die er vorher besuchte, hatte ihm den Vorschlag gemacht. Als Gehörloser sei es schwer auf dem Arbeitsmarkt, berichtet Danish, während im Hintergrund Geschirr klirrt. Fast kunstvoll sieht es aus, wie er mit seinen Fingern verschiedene Figuren in die Luft zeichnet.

Das Café Rothschild ist ein inklusives Ausbildungs- und Qualifizierungsprojekt für Nicht-Hörende, Hörende und Schwerhörige. Das Bistro ist neben dem Restaurantbetrieb im Frankfurter Gehörlosen- und Schwerhörigenzentrum der zweite Standort des Projekts. Das Inklusionsprojekt schult derzeit 15 Auszubildende beziehungsweise qualifiziert Jugendliche mit und ohne Hauptschulabschluss zu Köchinnen, Servicemitarbeitern und Restaurantfachfrauen. Ein Platz ist derzeit noch frei. Finanziert wird das 2013 gestartete Projekt des Evangelischen Vereins für Jugendsozialarbeit von der Stadt Frankfurt, dem Europäischen Sozialfonds und dem Land Hessen.

Dolmetscherin Iken Hofer arbeitet nur in Teilzeit im Betrieb. Ein Gebärdensprache-Crashkurs“ ist daher für alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter Voraussetzung. „Das Gehörlosen-Alphabet habe ich mir selbst beigebracht“, erzählt die Auszubildene Sophie, die sich erschöpft vor der Hitze auf einen Stuhl fallen lässt. Es ist 14 Uhr, der Feierabend naht. Es muss nur noch die Küche für den nächsten Tag auf Vordermann gebracht werden.

„Manchmal ist es auch echt anstrengend mit den Gehörlosen“, lacht die 18-Jährige. „Wenn ich zum Beispiel sage: Boden schrubben“, Sophie schiebt in ihren Händen einen imaginären Lappen wild hin und her, "dann gucken die mich an nach dem Motto: Was will die von mir? Aber meistens“, ergänzt die Frankfurterin versöhnlich, „klappt es ganz gut“.

Sophie hört ganz normal. Sie hat im Sommer vergangenen Jahres ihre Ausbildung zur Restaurantfachfrau begonnen. Auch sie hat den Tipp mit dem Café von einer früheren Lehrerin erhalten. Dass sie dort mit gehörlosen Altersgenossen arbeiten wird, habe sie erst im Bewerbungsgespräch erfahren. „Das war komisch, aber auch interessant“, erzählt sie. „Ich hatte bisher nie etwas mit diesen Menschen zu tun.“

Aufgeregt kommt Ikram aus der Küche gerannt. Mit den Händen tanzend erklärt das zierliche Mädchen, dass sie einen Schlüssel nicht finden kann. Zum Glück gibt es einen Ersatzschlüssel für den Vorratsschrank. Chaotisch geht es öfter mal zu, sagt Fachanleiterin Anke Botta. Mit der Kommunikation sei es nicht immer einfach. Geduld sei gefragt. „Es ist eigentlich nicht anders als zu Hause“, erzählt die 44-Jährige weiter. „Meiner 19-Jährigen Tochter muss ich manches auch dreimal erklären.“

„Wir versuchen viel über Riechen, Schmecken und Anfassen“, bringt sich Köchin Silvia Haupt ein, die gerade aus der Bistro-Küche kommt und sich die Schweißperlen von der Stirn wischt. Wenn Herumwedeln mit den Händen nicht mehr hilft, würden bestimmte Dinge wie „40 Minuten backen“ einfach auf einen Zettel geschrieben.

In der Luft liegt noch Würstchen-Geruch. Neben Kaffee und Snacks wie belegte Brötchen, Brezeln und Schokoriegel bietet das Team jeden Mittag ein wechselndes warmes Gericht für die Schülerinnen und Schüler an.

Die begegnen den gehörlosen Jugendlichen mit Respekt. „Nur einmal, da haben ein paar Jungs gelacht. Dann haben die aber einen richtigen Dämpfer von mir bekommen“, erzählt Haupt mit entschlossenem Blick. „Außerdem sind die oft schwerer von Begriff als unsere gehörlosen oder schwerhörigen Jugendlichen hinter den Verkaufstresen“, ergänzt sie und alle am Tisch lachen.

„Können wir dann jetzt eigentlich gehen?“ fragt Sophie für sich, Danish und Ikram und dreht sich dabei schon fast mit dem Rücken in Richtung Ausgang. Nach dem erlösenden „Ok“ der beiden Küchenoberhäuptern Botta und Haupt machen sich die Drei gut gelaunt auf den Weg in ihren Feierabend und winken zum Abschied. Dafür braucht es keine Übersetzung.


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