Von fast normal bis beinahe unerträglich. Über das Leben mit MS.
Frau C. steht mit Anfang 30 mitten im Leben, als sie plötzlich dem Tod ins Auge blickt. Multiple Tumore im Gehirn diagnostizieren die Ärzte, sie muss schmerzhafte Operationen über sich ergehen lassen, es heißt, länger als drei Monate werde sie nicht mehr leben. „Das kannst du nicht gewollt haben, lieber Gott, als du mir meine Kinder geschenkt hast.“
Doch Frau C. hat keinen Krebs, wie sich herausstellt. Sie hat keine todbringende Krankheit. Aber eine unheilbare: Multiple Sklerose. Das Leben der Frankfurterin wird nie mehr wie vorher sein. Aber sie lebt. Und wie.
Drei Jahrzehnte nach der Diagnose, die viele Betroffene in ihren 20ern oder 30ern ereilt, hat Claudia Hontschik alias „Frau C.“ ein Buch geschrieben. Und das ist gut. „Frau C. hat MS“ unterscheidet sich von den Büchern, die Menschen in der Regel über ihre Krankheiten schreiben. Es liest sich fast wie ein Episodenroman. „Frau C. geht ins Kino“, „Frau C. fährt nicht nach Ägypten“, „Frau C. lässt sich die Augen untersuchen“, „Frau C. passt auf den Hund ihrer Tochter auf“ oder „Frau C. denkt über Selbstmord nach“ sind die insgesamt 29 Kapitel überschrieben.
Da stehen Angst und Verzweiflung, Alltagsbeobachtungen und kuriose Situationen, teils gar Situationskomik, selbstverständlich nebeneinander. Was gut passt, ist doch auch das Leben mit einer chronischen Krankheit geprägt von der Vielfältigkeit des Erlebens – von fast normal bis beinahe unerträglich. Claudia Hontschik schreibt all das in einem angenehm unprätentiösen, poetischen Ton. „Mir blieben noch drei Wochen, vielleicht noch drei Monate zu leben. Das hat mir mein Mann aber erst auf der Heimfahrt von Köln nach Frankfurt erzählt. Da bin ich unten aus dem Auto herausgefallen.“
Das Buch beschwört keine Zauberformel, kein Patentrezept für den Umgang mit der Krankheit, die Forscherinnen und Forscher bis heute vor Rätsel stellt. Es ist eine Zustandsbeschreibung, eine sehr eindringliche dazu.
Die Leserin und der Leser erfahren außerdem viel Wissenswertes über Barrierefreiheit, Gleichstellungsgesetze und diese nervigen, kleinen Pflastersteine zwischen Frankfurter Opernplatz und Hauptwache, „die schon nach 20 Metern im durchgerüttelten Rollstuhl gruselige Nackenschmerzen verursachen. Da haben High-Heels-Trägerinnen und Rollstuhlfahrer*innen doch ausnahmsweise mal die gleichen Interessen!“
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