Leben & Alltag

Mütter im Stress, Väter auch – vielleicht hilft eine Kur

Beratungen der Diakonie Frankfurt für Mutter- und Vater-Kind-Kuren sind sehr gefragt, aber ihre Zukunft ist ungewiss.

Kindererziehung: Wenn der Alltag zur Zerreißprobe wird, kann eine Kur wieder für Halt sorgen.
Kindererziehung: Wenn der Alltag zur Zerreißprobe wird, kann eine Kur wieder für Halt sorgen. Bild: Deutsches Müttergenesungswerk

Wie im Hamsterrad fühlen sich viele Mütter – und zunehmend auch Väter. Ständig in Zeitnot, eingespannt zwischen Druck im Job und dem Wunsch, die Kinder gut zu erziehen. „Sie leiden unter Erschöpfungssyndrom, Ängsten und Depressionen“, sagt Nicola Wendlandt. Die Diplom-Sozialpädagogin und ihre Kollegin Katrin Bange beraten beim Diakonischen Werk für Frankfurt am Main des Evangelischen Regionalverbandes Mütter und Väter, die eine Mutter- oder Vater-Kind-Kur beantragen möchten. „Die Nachfrage ist riesig“, sagt Sigrid Unglaub, Arbeitsbereichsleiterin Inklusion und Beratung bei der Diakonie Frankfurt. „Nach der einstündigen Beratung gehen die Frauen und Männer meist mit einem anderen Blick auf sich selbst nach Hause und können viel klarer einschätzen, was in der Kur auf sie zukommt“, bekräftigt Wendlandt. Auch Kur-Abbrüche seien dann seltener. „Eine Kur ist keine reine Erholung“ erklärt die Beraterin, „in der Kur arbeiten Mütter und Väter an sich selbst, hören Vorträge zur Stressbewältigung und Ernährung, treiben Sport.“

„Vor der Kur ging ich ziemlich auf dem Zahnfleisch, ich war angestrengt, hatte Ein- und Durchschlafstörungen“, erinnert sich PR-Fachfrau Antje Kroll, die sich von der Diakonie Frankfurt bei der Beantragung ihrer Kur beraten ließ. Nadja Helmich (Name geändert) war froh über die Unterstützung beim Auswählen der passenden Klinik, „alleine hätte ich nicht gewusst, wie ich da vorgehen soll“. Das erste Jahr mit ihrem Sohn, einem Schrei-Baby, „war sehr anstrengend“, sagt die 42-Jährige. Nach zwei Fehlgeburten folgte sie dem Rat ihrer Hausärztin und beantragte mithilfe der Diakonie eine Mutter-Kind-Kur.

Von Jahr zu Jahr wächst die Nachfrage nach Beratung: Waren es 2015 noch 280 Gespräche, kletterte ihre Anzahl 2017 auf 449, darunter 23 Väter. Das hängt auch damit zusammen, dass die übrigen Beratungsstellen in Frankfurt personell dünn besetzt sind. Aus finanziellen Gründen werden zudem Beratungsstellen im Umland geschlossen und Frankfurt rückt immer mehr in den Fokus. Diakonie Hessen, Caritas, Arbeiterwohlfahrt und Deutsches Rotes Kreuz – unter dem Dach der Elly Heuss-Knapp-Stiftung des Müttergenesungswerkes – formulierten deshalb eine Petition an die Hessische Landesregierung: Sie soll die Finanzierung der Beratungsangebote der Wohlfahrtsverbände für die Müttergenesung sichern. Die Unterschriftenaktion läuft noch bis zum 31. Mai 2018.

Die Haltung der Arbeitsgemeinschaft Frauen- und Familiengesundheit/Müttergenesung in der Diakonie Hessen ist klar: „Qualitätseinbußen wollen wir nicht hinnehmen“, sagt Sigrid Unglaub. Bisher fließt kein Geld vom Land in die Beratungsgespräche, bleibt es bei der ablehnenden Haltung, ist auch der komplette Ausstieg aus der Beratung eine Option. Über die Situation informierte sich Ursula Bouffier, Ehefrau des hessischen Ministerpräsidenten und Schirmherrin der Müttergenesung in Hessen, während eines Besuches in der Beratungsstelle der Diakonie Frankfurt.

Weil es bis zum Kurantritt ein halbes Jahr dauert, verweisen die Beraterinnen bei drängenden Problemen gerne auch auf andere Hilfeangebote wie Erziehungs- und Krisenberatung, Schuldnerberatung oder die Familienzentren. „Wir fungieren auch als Clearingstelle und beantragen nicht für jede Mutter eine Kur“, sagt Sigrid Unglaub. Die Kur mit Kind könne durchaus anstrengend sein, bestätigt Nadja Helmich. Zwar empfand sie die Nordseeinsel Langeoog im November als „herrlich, ruhig und autofrei, aber ich hatte unterschätzt, was es bedeutet, mit so vielen anderen so eng zusammen zu sein.“

Bis zum Ende des Jahres 2018 finanziert das Land Hessen noch die kostenlosen Vorbereitungstreffen, welche die Diakonie Müttern und Vätern an sechs Terminen im Jahr vor Kurantritt anbietet. „Das Vortreffen ist super, ich kann das nur empfehlen“, sagt Antje Kroll. Während der zwei Stunden mit Kinderbetreuung geht es etwa um die An- und Abreise, die Gepäckbeförderung, die genauen Inhalte der Kur, Wünsche und Befürchtungen. Nach der Kur bietet die Diakonie Nachsorgetreffen an – bis zu sechs Einzelgespräche und sechs Gruppentreffen im Jahr mit Kinderbetreuung. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer zahlen für sich und ihre Kinder zehn Euro pro Tag in der Kur, eine Ermäßigung ist möglich. Die Krankenkassen bewilligen rund 70 Prozent der Anträge. Wird eine Kur abgelehnt, unterstützt die Beratungsstelle die Klienten und Klientinnen bei ihrem Widerspruch. Diesem wird in der Regel auch in 70 Prozent der Fälle stattgegeben. Antje Kroll und Nadja Helmich gelang es, von ihrer Kur etwas in den Alltag zu integrieren. Kroll nennt es „einen Freudepunkt“: „Ich nehme mir jeden Tag ganz bewusst eine Auszeit, das müssen nur zehn Minuten sein. Seitdem ich das mache, hat ein Umdenken eingesetzt.“


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Autorin

Susanne Schmidt-Lüer ist Mitglied der Stabsstelle Kommunikation, Marketing und Fundraising des Evangelischen Regionalverbandes Frankfurt und Offenbach. Sie schreibt auch als freie Autorin, vor allem über Sozialpolitik, Kirche, Alter und wirtschaftspolitische Themen.

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