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„Wenn man Albert Schweitzer-Schule heißt, reicht eine Büste nicht aus“

„Albert Schweitzer? Ach, das ist doch der, der so heißt wie unsere Schule!“ Wenn Maximilian Winter solche Sätze hört, könnte er verzweifeln. Deshalb hat der 17-Jährige Offenbacher sich vorgenommen, das Leben und Werk des evangelischen Theologen, Musikers und Ethikers bekannter zu machen. An seiner Schule, aber auch darüber hinaus.

Maximilian Winter setzt sich für das Andenken Albert Schweitzers ein. | Foto: Ilona Surrey
Maximilian Winter setzt sich für das Andenken Albert Schweitzers ein. | Foto: Ilona Surrey

Für Maximilian Winter ist es unbegreiflich, wie man jeden Tag in einer Einrichtung sitzen kann, ohne etwas über deren Namenspatron zu wissen. Aber bei seinen Versuchen, unter den Mitschülerinnen und Mitschülern am Albert Schweitzer-Gymnasium in Offenbach Interesse am Namensgeber der Schule zu wecken, sei er nicht weit gekommen, erzählt er. Doch der 17-Jährige ließ sich nicht entmutigen: „Schweitzer darf nicht vergessen werden, jeder sollte seine Ethik und sein Leben kennen.“ Winter bat das Deutsche Albert- Schweitzer-Zentrum (DASZ) um Hilfe, damit es mit Vorträgen, Filmvorführungen und Unterrichtsmaterialien das Leben Schweitzers näher bringt. Außerdem initiierte er einen Arbeitskreis, der gemeinsam mit dem DASZ Veranstaltungen auf die Beine stellen will.

„Wenn man schon Albert Schweitzer-Schule heißt, reichen eine Büste und Tafel im Treppenhaus nicht aus“, findet Winter. Deshalb bespricht er auch „mit allen möglichen Lehrern, wie sich Schweitzers Ethik im Unterricht einbauen lässt“. Die meisten würden seinen Vorstoß begrüßen, erzählt er. „Ich habe auch nur erfahren, was Schweitzer geleistet hat, weil das in der fünften Klasse in Deutsch und Reli Thema war.“

Damals war er selbst gleich von Schweitzer begeistert und wollte mehr über den Theologen und Arzt wissen. „Meine erste Frage war, warum Schweitzer nach Lambarene, nach Afrika, aufgebrochen ist. Er hätte ja in Deutschland als Philosoph, Theologe oder Organist ein bequemes Leben führen können.“ Um Antworten zu finden, fing der damals Zwölfjährige an, Bücher von und über Albert Schweitzer zu lesen. Heute sagt er: „Die Auseinandersetzung mit Schweitzer hat meine Denkweise nachhaltig geprägt.“

Erstaunliche Worte aus dem Mund eines Jugendlichen, der mit seinen Sneakers und Jeans nicht anders wirkt als seine Altersgenossen. Seine Aktivitäten und Interessen sind aber durchaus ungewöhnlich. Neben dem Engagement für Albert Schweitzer war er bis vor kurzem als Schulsprecher im Amt, sitzt in der Schülervertretung und treibt als Vorstandsmitglied des Vereins „Junges Offenbach“, der seit den Kommunalwahlen 2016 einen Stadtverordneten stellt, die Teilhabe junger Menschen an politischen Entscheidungen voran.

„Ich bin ein stolzer Protestant“, sagt er von sich, und macht das sichtbar, indem er seinen Konfirmationsspruch „Glaube, Liebe, Hoffnung“ als Kreuz, Herz und Anker an einer Kette um den Hals trägt. Beim Kirchentag dieses Jahr in Dortmund hat er gemeinsam mit Pfarrerin Henriette Crüwell eine Eröffnungspredigt gehalten. Die war beeindruckt, „wie lässig er vor so vielen Menschen gesprochen hat“.

Er selbst führt diese Souveränität auf sein Elternhaus zurück. „Meine Eltern haben mich schon früh für voll genommen und gefordert, ich musste immer reflektieren, was ich sage und tue.“ Mit seinen Meinungen eckt er bei Gleichaltrigen schon mal an, zum Beispiel mit seiner Kritik an der Strategie von „Fridays for Future“: Ich kann nicht akzeptieren, dass die Leute Unterricht, der uns geschenkt wird, einfach sausen lassen. In Indien wären die Kinder dankbar, wenn sie zur Schule gehen könnten.“

Würde es samstags oder sonntags auf die Straße gehen, wäre Winter allerdings dabei. „Mit den Forderungen bin ich völlig einverstanden, weil sie sehr nahe an Schweitzers Ethik sind. Aber warum ist Greta das Nonplusultra, von Albert Schweitzer haben die meisten aber nicht einmal gehört?“ Gerade wegen dessen Aktualität möchte Maximilian Winter Schweitzers Postulat der „Ehrfurcht vor dem Leben“ wieder ins Bewusstsein rücken. „An den Schulen könnte die Vermittlung von Schweitzers Ethik eine Art Sauerteig sein, der in die Bevölkerung hineinwirkt.“

Ein ähnlich starkes Engagement eines Schülers hat Miriam Böhnert, die Leiterin des in Frankfurt ansässigen DASZ, noch nicht erlebt. Natürlich freut sie sich darüber, zumal das DASZ mit der Albert Schweitzer-Schule in Offenbach schon früher enge Beziehungen pflegte. „Wir waren bei jedem Schulfest mit einem Infostand vertreten, haben Vorträge gehalten und Filme gezeigt.“ Zudem hätten alle fünften Klassen das DASZ besucht.

Diese intensive Kooperation hing auch mit dem damaligen Schulleiter zusammen, seit geraumer Zeit gebe es an der Schule aber nur eine kommissarische Leitung. Böhner hofft, dass Maximilian Winters Vorstoß einen erneuten Austausch in die Wege leitet. „Gerade in Zeiten, in denen bei jungen Menschen der respektvolle Umgang mit Natur und Umwelt an Bedeutung gewinnt, kann Albert Schweitzers Ethik nur eine Bereicherung sein.“

Das Deutsche Albert-Schweitzer-Zentrum in der Wolfsgangstraße 109 in Frankfurt beherbergt eine umfangreiche Sammlung zu Schweitzers Leben und Werk. In den Räumlichkeiten sind ein Museum, eine Bibliothek und ein Archiv sowie die Geschäftsstelle des Deutschen Hilfsvereins für das Albert-Schweitzer-Spital in Lambarene (DHV) untergebracht, der zugleich als Träger des DASZ fungiert. Für die Auseinandersetzung mit Albert Schweitzers ethisch-geistigem Erbe finden Schulen und Bildungseinrichtungen wie auch Kirchengemeinden und Studienkreise im DASZ ein breites Angebot an Unterrichtsmaterialien, Vorträgen, Veranstaltungen und Filmen.

In diesem Jahr hat das DASZ mit einer Veranstaltungsreihe zwei Jahrestage gewürdigt: Vor 60 Jahren wurde Albert Schweitzer Frankfurter Ehrenbürger, vor 50 Jahren nahm das DASZ in der Mainmetropole seine Arbeit auf. Zum Abschluss lädt es unter dem Titel „Ehrfurcht vor dem Leben – zur Aktualität und Brisanz der Lebensethik Albert Schweitzers“ zu einem Studientag ein: 16. November, 9-17 Uhr, Haus am Dom, Domplatz 3.

www.albert-schweitzer-heute.de


Autorin

Doris Stickler 76 Artikel

Doris Stickler ist freie Journalistin in Frankfurt.

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