Politik & Welt

Dossier: Armut

Armut ist nicht nur ein wirtschaftliches Problem, es ist auch ein soziales. Wer wenig Geld hat, hat Probleme, am gesellschaftlichen Leben teilzunehmen. Das fällt gerade dort auf, wo ansonsten viel Reichtum zur Schau gestellt wird – wie in Frankfurt.

Frankfurt jenseits des Glitzers. Nicht überall geht es schick und reich zu. | Foto: Rui Camilo
Frankfurt jenseits des Glitzers. Nicht überall geht es schick und reich zu. | Foto: Rui Camilo

Frankfurt ist reich. Zumindest wenn man auf die glänzenden Fassaden schaut: Die Banken in der Innenstadt und am Mainufer. Die Anwaltskanzleien und internationalen Firmen, in denen man sehr gut verdient. Die teuren Geschäfte, die Luxuswohnungen. Doch davon, dass Frankfurt ein „Gold- und Silberloch“ ist (wie Luther die Stadt schalt), ist nicht überall etwas zu spüren. Schon in der Nachbarstadt Offenbach sieht es ganz anders aus. Auch in vielen Quartieren an den Rändern Frankfurts glänzt es ganz und gar nicht. Im Jahr 2018 lebten insgesamt 115.000 Menschen in beiden Städten von Grundsicherung; das heißt, sie hatten im Monat nur rund 400 Euro plus Miete zur Verfügung.

Die meisten von ihnen sind alt oder alleinerziehend. Sie leben nicht auf der Straße, nicht von der Hand in den Mund, sie haben ein Dach über dem Kopf und zu essen. Arm sind sie trotzdem. „Armut heißt nicht nur, wenig Geld zu haben“, erklärt der Referent für Armutspolitik bei der Diakonie Hessen, Felix Blaser. „Es bedeutet auch, nicht am sozialen und kulturellen Leben teilhaben zu können, nur kleinen Wohnraum zu haben, häufiger krank zu sein.“

Wer kein Geld fürs Kino oder Konzert hat, wer nie andere zum Essen einladen oder mit den Kindern in den Zoo gehen kann, ist vom gesellschaftlichen Leben abgeschnitten. Wer über viele Jahre arm ist, hat zudem eine deutlich geringere Lebenserwartung. Viele Menschen schämen sich für ihre Armut. Deshalb beantragen sie Hilfen nicht, obwohl sie ihnen eigentlich zustünden. Nach Angaben des Deutschen Wirtschaftsinstitutes rufen 60 Prozent der Anspruchsberechtigten Sozialleistungen nicht ab.

Ein häufiges Beispiel für verdeckte Armut sind ältere Frauen, deren Partner stirbt, und die dann nur eine kleine Rente beziehen. Sie geben sich oft große Mühe, nach außen die Fassade aufrecht zu erhalten, und leben sehr entbehrungsreich. „Die Reform der Sozialgesetze und die Einführung von Hartz IV hat vor allem Frauen in die Armut getrieben“, kritisiert Ursula Poletti, die Geschäftsführerin des Frankfurter St. Katharinen- und Weißfrauenstifts.

Initiativen vor Ort, die helfen, informieren und unterstützen, sind wichtig. Aber es muss sich auch strukturell etwas ändern. „Eine insgesamt reiche Gesellschaft wie die unsere muss politisch nicht nur für armutsfeste Mindestlöhne, sondern auch für armutsfeste Mindestrenten für alle Menschen sorgen“, fordert Felix Blaser.

Weiterlesen:

Protokolle der Armut

„Zu viel Armut ist ein Problem für die Demokratie“ - das Interview mit Felix Blaser

„Hartz IV hat besonders Frauen in die Armut getrieben“ - das Interview mit Ursula Poletti

Armut ist nicht gleich Armut - über Definitionen und Maßnahmen


Schlagwörter

Autorin

Stephanie von Selchow ist Redakteurin des EFO-Magazins.

0 Kommentare

Zu diesem Artikel wurden noch keine Kommentare verfasst. Schreiben Sie doch den ersten.

Artikel kommentieren

Wir freuen uns, wenn unsere Beiträge zu Diskussion und Austausch beitragen. Dabei bitten wir, auf angemessene Umgangsformen zu achten und die Meinung anderer zu respektieren. Bei Verstößen gegen unsere Netiquette-Regeln behalten wir uns vor, Kommentare nicht zu veröffentlichen.

Mit * markierte Felder sind Pflichtfelder.

Errechnen Sie die Summe der dargestellten Zahlen
Captcha =