Politik & Welt

Das Lachen der Erkenntnis: Wie Satire dabei hilft, Politik zu verstehen

Können Satiresendungen im Fernsehen Politik vermitteln? Jedenfalls kann Satire eher wunde Punkte ansprechen und ohne diplomatische Floskeln Klartext reden. Für manche Menschen sind Formate wie "Die Anstalt" inzwischen sogar glaubwürdiger als die Tagesschau. Die Evangelische Akademie hat deshalb ein neues Format entwickelt: gemeinsam gucken und dann diskutieren.

"Die Anstalt" schauen und drüber diskutieren in der Evangelischen Akademie. Foto: Antje Schrupp
"Die Anstalt" schauen und drüber diskutieren in der Evangelischen Akademie. Foto: Antje Schrupp

Wie informieren sich Menschen im Jahr 2017 über Politik? Wie können die Medien Politik vermitteln? Eignen sich satirische Formate für ernste Aufklärung? Besucht man die Evangelische Akademie am Römerberg, um gemeinsam fernzuschauen? 

Letztere Frage musste man an diesem Abend uneingeschränkt mit „ja“ beantworten. Etliche Menschen waren gekommen, um zusammen mit Stipendiatinnen und Stipendiaten der Jungen Akademie die ZDF-Satiresendung „Die Anstalt“ zu schauen – und im Anschluss gemeinsam mit Programmmacher Dietrich Krauß über die ersten drei Fragen zu diskutieren.

Die Anstalt ging im Februar 2014 als Nachfolger des Kabarett-Formats „Neues aus der Anstalt“ im ZDF auf Sendung. Die Sendung wird in der Regel einmal im Monat – mit Ausnahme der Sommerpause – an einem Dienstagabend direkt nach dem Heute-Journal ausgestrahlt. Das Team hinter der Sendung ist vergleichsweise klein. Es besteht aus den beiden Moderatoren Max Uthoff und Claus von Wagner und dem Autor Dietrich Krauß. 

In den besten Sendungen gelingt es dem Team, einen Sachverhalt so anschaulich und treffsicher darzustellen, dass im Publikum das Lachen der Erkenntnis über Verhältnisse weicht, die alles andere sind als komisch. Das traf auch auf die jüngste Ausgabe der „Anstalt“ zu, bei der es um den Pflegenotstand in Deutschland ging. Vielen gilt das Format laut Umfragen sogar als vertrauenswürdiger als die Tagesschau.  Auch in den USA haben Umfragen ergeben, dass sich das Publikum mittlerweile besser durch Satiresendungen wie die „Daily Show“ informiert fühlt als durch klassische Fernsehnachrichten.

Grund genug also, um dem Format auf den Zahn zu fühlen im Rahmen des Demokratie-Schwerpunkts der Akademie. In einer Zukunftsvision des Jahres 2025 finden sich Max Uthoff und Claus von Wagner alias Horst Seehofer und Angela Merkel im Altenpflegeheim wieder. Die Pflege-TÜV-Untersuchung steht an. Werden nun alle Mängel aufgedeckt? Wird die Note 1,0 korrigiert? Oder kommt es doch eher auf die Aktenpflege als auf die Altenpflege an? 

Vom Team akribisch geprüfte Informationen mit bitterböser Satire zu verbinden, dieser Spagat zeichnet „Die Anstalt“ aus. Leiser als sonst ist die Sendung an diesem Abend. Nachdenkliche Töne bringt die Pflegerin Sabrina Maar beim „Care Slam“ auf die Comedy-Bühne. Sie ist in der Lage, auf einer tiefen Empfindungsebene die Bedeutung von Pflegekräften zu betonen. Sie kämpft darum, dass ihr im Arbeitsalltag Momente der Reflexion zugebilligt werden, etwa wenn sie dem Licht des Leichenwagens hinterher schaut oder sich eigentlich gern die Lebensgeschichten der alten Menschen erzählen lassen würde – wofür im Pflegealltag aber nie Zeit ist. 

Lachen und verstehen, das ist kein Widerspruch. Wie bereiten die Macher eine Sendung der „Anstalt“ vor? Dietrich Krauß erklärt, dass jede Themenarbeit mit „Lesen, lesen, lesen“ beginne. Dann gehe es ans Faktenchecken. Kann Satire Journalismus ersetzen? Nein, meint Krauß. „Das eine kann das andere nur schwer ersetzen. Denn die Kriterien für gute Satire sind andere als für guten Journalismus. Satire ist immer ungerecht, einseitig und zugespitzt. Das ist aber genau das, was guter Journalismus bestenfalls in einem Kommentar tun sollte.“ Gleichzeitig sehe er ein „Missverhältnis journalistischer Durchdringung von Missständen und der Hauptstadtkorrespondenz, etwa zu den Jamaika-Gesprächen.“ Er empfinde den Ansatz der „Anstalt“ als durchaus systemkritisch. Und vom Thema Pflege sei schließlich jeder und jede betroffen. „Es ist ein existenzielles Thema, und wird doch oft links liegengelassen.“

Gegenstand der Wissenschaft ist die TV-Satire auch schon. „Der Boom der Satire wird besonders von jüngeren Mediennutzern getragen. Er weist weit über das Fernsehen hinaus. Ohne eigenes Interesse und gezielte Anstrengung wird sich nicht jedem auf Anhieb das aufklärerische Potenzial der Satire erschließen. Um politische Vertiefung zu erreichen, ist Anschlusskommunikation wichtig. Wo sind die Konferenzen von politischen Akademien, Stiftungen oder Trägereinrichtungen für Bildung und Weiterbildung?“ Das schrieb Bernd Gäbler, Autor der Studie „Quatsch oder Aufklärung?“ 2016 im Auftrag der Otto-Brenner-Stiftung.

Der Evangelischen Akademie kann man diesen Vorwurf nun jedenfalls nicht mehr machen.


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Anne Lemhöfer 139 Artikel

Anne Lemhöfer interessiert sich als Journalistin und Autorin vor allem für die Themen Kultur, Freizeit und Gesellschaft: www.annelemhoefer.de

1 Kommentar

12. Dezember 2017 09:01 Marcus Jogerst-Ratzka

Hmmh, schon seltsam warum hier die Gefährdungsanzeige aus der Sendung gar nicht erwähnt wird? Oder der Verein Pflege in Bewegung e.V.? Man denkt sich sein Teil....