Politik & Welt

Fairtrade versus Effektiver Altruismus: Welches Konzept ist das bessere?

Frankfurt ist eine Fairtrade-Stadt. Aber das Konzept von „Fairtrade“ ist in die Kritik geraten. Manche bevorzugen die Philosophie des „Effektiven Altruismus“, der Entwicklungshilfe-Projekte mehr nach betriebswirtschaftlichen Kriterien führen will. Zu einer kontroversen Diskussion darüber hat die Frankfurter Fairtrade-Steuerungsgruppe in die Evangelische Akademie am Römerberg eingeladen. 

Fair gehandeltes Obst - hilft das wirklich oder ist es ineffektiv? |
Fair gehandeltes Obst - hilft das wirklich oder ist es ineffektiv? | Bild: http://www.colourbox.de

Entwurmungskuren sind unspektakulär und animieren meist nur wenige Menschen zum Spenden. Daniel Berthold hält auf sie dennoch große Stücke. Denn Entwurmungskuren würden der Bildung von Kindern weit mehr dienen als mehr Lehrer oder mehr Bücher: „Ohne Darmparasiten gehen die Kinder häufiger zur Schule und können konzentrierter lernen.“

Das war ein Beispiel, mit dem der Wirtschaftswissenschaftler die Anliegen des „Effektiven Altruismus“ (EA) deutlich machte. Dabei wird immer geprüft, wie sinnvoll und nachhaltig Projekte sind, damit aus Spendengeldern und investierter Zeit das Optimum herausgeholt werden kann. Es sollen schließlich keine Hilfsressourcen verschwendet werden.

Bei einer Veranstaltung in der Evangelischen Akademie Frankfurt warb Daniel Berthold für die Philosophie des „Effektiven Altruismus“, der mittels Kosten-Nutzen-Rechnung die Effizienz von Hilfsmaßnahmen ausloten und die Ursachen von Missständen beseitigen will. „Effektive Altruisten“ achteten darauf, Spenden nur dort einzusetzen, wo sie wirklich etwas bewirken. „Es geht um Wohlfahrtsoptimierung, um den bestmöglichen Einsatz finanzieller Ressourcen.“ Außerdem richte der EA wie im Fall der Entwurmungskuren das Augenmerk auf vernachlässigte Tätigkeitsfelder.

Die Bewegung des EA wurde vor knapp zehn Jahren in England aus der Taufe gehoben und wird überwiegend von jungen Menschen getragen. Sie richtet den Fokus auf Ursachen, argumentiert nicht moralisch und entwickelt objektive Maßstäbe. Das gefällt auch Steffen Weber. Der Geschäftsführer des Weltladen-Dachverbands hat inzwischen allerdings Zweifel an dem Konzept. 

Nicht einverstanden ist er zum Beispiel damit, wie der Mitgründer von EA, William MacAskill, in seinem Buch „Gutes besser tun: Wie wir mit effektivem Altruismus die Welt verändern können“ andere Formen des Helfens darstellt. „Fairtrade wird dort als wirkungsloses Instrument abgewatscht, eine 40 Jahre alte Bewegung einfach weggewischt und das Konzept des fairen Handels völlig verkürzt dargestellt.“ 

Dabei sei längst nachgewiesen, dass Fairtrade in vielen Bereichen Positives bewirkt. Fairtrade-Organisationen böten dem vorherrschenden Handelssystem die Stirn, zahlten den Erzeugern gerechte Preise, sorgten für Bildung, soziale Standards und Umweltschutz. Das alles gewährleiste den Partnern „auf lange Sicht Stabilität und Sicherheit“. Trotzdem gehe der EA mit Botschaften hinaus wie: Kauft lieber Billigprodukte statt Fairtrade und spendet die Differenz an effektive Hilfsorganisationen. „Bei dieser Argumentation wird weder nach Ausbeutung oder Kinderarbeit noch nach Produktionsbedingungen gefragt. Außerdem wird übersehen, dass die Dinge sehr komplex sind“, kritisierte Steffen Weber.

Auch Daniel Berthold greift durchaus zu Fairtrade-Produkten, weil ihm ethisch unbedenkliche Produktionsbedingungen wichtig sind. Allerdings unterstütze man damit eben nicht die Ärmsten in den jeweiligen Regionen, denn die Bauern und Bäuerinnen seien bereits vergleichsweise gut gestellt. Und es gehe viel Geld durch die Zertifizierung verloren. Deshalb hält er das Konzept Fair Trade an sich für ineffektiv.

Bei Katja Maurer von Medico International hingegen löst beim EA „allein der Begriff ‚effektiv‘ schon Bauchschmerzen aus“. Sie hält EA für einen „völlig apolitischen Ansatz, der neoliberalen Grundgedanken folgt“. Er erstelle ein „Hilferanking“ und propagiere die „Verbetriebswirtschaftlichung von solidarischem Handeln“.

Medico International versuche stattdessen, in Vernetzung mit Partnern vor Ort Strukturen zu verändern. Dadurch hätten unter anderem in Afghanistan viele Leute eine fundierte Ausbildung erhalten, Bauern wieder ihr Land bewirtschaften und die Bevölkerung heimische Produkte kaufen können. Die Verbesserung von Lebensbedingungen sei ein vielschichtiger Prozess, den man „im Vorfeld nicht berechnen und bemessen“ kann. 


Autorin

Doris Stickler 76 Artikel

Doris Stickler ist freie Journalistin in Frankfurt.

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