Land Hessen setzt weiterhin keine Standards für Sammelunterkünfte
Seit vielen Jahre fordern die hessischen Wohlfahrtsverbände Mindeststandards bei der Unterbringung von geflüchteten und wohnungslosen Menschen. In diesem Sommer geriet die Unterbringung in hessischen Aufnahmestandorten für Geflüchtete mehrfach in die Diskussion, auch in Zusammenhang mit der Corona-Pandemie wurden Mängel sichtbar.
Eine Anhörung zu einer Änderung des Landesaufnahmegesetzes in Hessen hatte Hoffnung gemacht, dass solche Mindeststandards für die Unterbringung in den einzelnen Kommunen nun gesetzlich festgelegt würden. Aber trotz der Ankündigung der schwarzgrünen Landesregierung, den Entwurf zu überdenken, wurde das Gesetz vorige Woche ohne entsprechende Aufnahme solcher Forderungen verabschiedet.
„Ich war sehr enttäuscht“, erklärt Rebekka Georgi vom Evangelischen Verein für Wohnraumhilfe in Frankfurt. „Das Land überträgt die Verantwortung damit weiterhin auf die Kommunen und die wiederum auf die Träger der Unterkünfte. Wenn dann etwas nicht optimal läuft, wenn es zum Beispiel Corona-Infektionen in einzelnen Unterkünften gibt, sind die Schuldigen schnell ausgemacht. Wir als Träger geraten dann in die öffentliche Kritik.“
Ohne verbindlich vorgegebene Mindeststandards hätten die Träger keine Planungssicherheit im Zusammenhang mit Qualitätsstandards und Betreuungskonzepten in den Einrichtungen. „Jegliche Wohnform muss sich an den Menschenrechten orientieren. Hier beklagen wir klare Defizite, die in einer Gesetzesnovellierung hätten angepackt werden können“, sagt Georgi.
In den vielen Unterkünften leben Menschen auf engem Raum. Sie haben oft keine Möglichkeit des Rückzugs, mehrere Bewohner:innen teilen sich sanitäre Anlagen und Kochmöglichkeiten. Der Zustand der Gebäude ist oft unzureichend. Die Stadt Frankfurt habe zwar eigene Standards festgelegt, diese seien aber nicht ausreichend, sagt Georgi.
Im Mai 2017 hat die Frankfurter Stadtverordnetenversammlung unter anderem beschlossen, in Unterkünften pro Person neun Quadratmeter vorzusehen, außerdem sollten abgeschlossene Wohneinheiten präferiert werden. Weil aber der Bedarf an Plätzen größer ist als die Kapazitäten, wird das nicht immer eingehalten – Sonderregelungen machen es möglich, aus Kapazitätsgründen die Mindeststandards zu unterschreiten. „Ich kann der Stadt da keinen Vorwurf machen“, sagt Georgi, „die Verfügbarkeit geeigneter Gebäude ist in Frankfurt begrenzt.“
Der Hessische Minister für Soziales und Integration, Kai Klose (Bündnis 90/Die Grünen), will nun eine „AG Unterbringung“ einrichten. Dort sollen auch Sozialverbände und kommunale Spitzenverbände mit am Tisch sitzen. Rebecca Georgi wünscht sich, dass dadurch eine breitere gesellschaftliche Debatte über die Situation der Unterbringung für wohnungslose und geflüchtete Menschen angestoßen wird. „Ich hoffe, dass die AG trotz Kommunalwahlkampf und anhaltender Corona-Pandemie umgesetzt wird und tragfähige Ergebnisse erarbeitet.“
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