Frankfurt lokal

Haus am Weißen Stein: Das größte psychosoziale Beratungszentrum Hessens

Nach mehr als zwei Jahren Umbau- und Sanierungsarbeiten ist das Evangelische Beratungs- und Therapiezentrum Am Weißen Stein wieder zurück in der Eschersheimer Landstraße 567. Das Gebäude wurde komplett saniert, thematisch verwandte Arbeitsbereiche aus anderen Stadtteilen sind hierher umgezogen. Es ist nun das größte psychosoziale Beratungszentrum in Hessen.

Das evangelische Beratungszentrum "Haus am Weißen Stein" jetzt mit neuer Fassade. | Foto: Rolf Oeser
Das evangelische Beratungszentrum "Haus am Weißen Stein" jetzt mit neuer Fassade. | Foto: Rolf Oeser

Von außen ist das Haus am Weißen Stein kaum wieder zu erkennen. Das vormals gesichtslose 70er-Jahre Gebäude wurde mit fünf Erkern und einer weißen, durchbrochenen Metallfassade versehen, die einen bekanntes Motiv aus Michelangelos Fresko „Die Erschaffung Adams“ ziert. Gott und Adam strecken sich die Hände zu, wobei sich ihre Zeigefinger so nahe kommen, als würden sie sich gleich berühren.

Auch im Innern des Hauses blieb kein Stein auf dem anderen. Dunkle Flure gehören ebenso der Vergangenheit an wie die mit massiven Türen abgeschotteten Zimmer. Durch Glaswände sind alle Etagen freundlich und hell und mit einladenden Wartebereichen ausgestattet, wenn dort Besprechungen sind, sorgen Jalousien für eine geschützte Atmosphäre. Im Erdgeschoß befindet sich neben einem Saal und Multifunktionsräumen ein Eltern-Kind-Café mit großer Fensterfront.

Der zuständige Fachbereichsleiter Jürgen Mattis ist froh, dass nach langen Diskussionen die Entscheidung zugunsten einer Sanierung fiel. Die Adresse sei seit 1974 bekannt und eingeführt, das Haus mit der U-Bahn gut zu erreichen. Außerdem habe der Umbau die Chance geboten, die Beratungsangebote unter einem Dach zu bündeln.

In der Tat kann das psychosoziale Beratungszentrum des Evangelischen Regionalverbandes Frankfurt und Offenbach nun mit einer beeindruckenden Liste an Fachdiensten aufwarten: Paar- und Lebensberatung, Familien-, Erziehungs- und Jugendberatung, Sozialberatung und Therapie für Migranten und Flüchtlinge, Suchtberatung und dazugehörige Selbsthilfegruppen, das „Socius“-Mentorenprogramm, ein Evangelisches Familienzentrum, die Ambulante Jugendhilfe sowie die Geschäftsstellen des Evangelischen Jugendwerks Hessen beziehungsweise Frankfurt sind hier untergebracht. Insgesamt 55 Fachkräfte, 50 Honorarkräfte und rund 400 Ehrenamtliche sind hier tätig.

Die Vorteile der räumlichen Konzentration liegen für Anja Frank-Ruschitzka, die Leiterin des Arbeitsbereichs Beratung und Therapie, auf der Hand: Die unterschiedlichen Dienste können sich leichter vernetzen. Die multiprofessionelle Zusammenarbeit erhöhe die Qualität der Arbeit und ermögliche es, den Klientinnen und Klienten die bestmöglichste Beratung und Unterstützung zu geben.

Davon ist auch der Leiter der Evangelischen Familienbildung, Clemens Niekrawitz, überzeugt. Familienbildung sei eine präventive Arbeit, bei der bisweilen gravierende Probleme zutage treten. Nun könne man die Betreffenden an die geeigneten Stellen direkt im Haus verweisen. Gerade die Familienbildung hat im neuen Raumkonzept nun auch mehr Platz bekommen für ihre breite Palette an Angeboten, die von Babymassage und Rückbildungsgymnastik über Erziehungsfragen bis Kreativkursen und dem Eltern-Kind-Café reicht.

In dem 3000 Quatratmeter umfassenden Gebäude hat Architekt Claus Staniek nicht nur die Arbeits- und Begegnungsräume, sondern auch die beiden Treppenhäuser neu gestaltet, einen zweiten Fahrstuhl installiert, alle Barrieren beseitigt und viele Bereiche komplett umorganisiert. Da ein neuer Kanalanschluss vonnöten war, musste sogar eigens ein Tunnel unter der U-Bahn gegraben werden.

Rund sieben Millionen Euro hat das alles gekostet – aus Sicht von Pfarrer Jürgen Mattis eine gute und sinnvolle Investition. Damit sei eine Anlauf- und Begegnungsstelle geschaffen worden, in der „Menschen gleich welcher Generationen oder Nationalität in Krisen- und Konfliktsituationen unkompliziert und kostenlos Hilfe finden“. Im vergangenen Jahr hätten die Beraterinnen und Berater rund 7000 Personen begleitet. Zum Teil hätten sie dafür eine weite Anreise und lange Wartezeiten in Kauf genommen, was den großen Bedarf an Unterstützung deutlich mache.

Mit dem psychosozialen Beratungszentrum werde die Kirche ihrem Selbstverständnis gerecht, Menschen in den unterschiedlichsten Lebenslagen zur Seite zu stehen, findet Mattis. Bildhaft dargestellt sei dies in dem Freskoausschnitt auf der Fassade. Die sich fast berührenden Finger von Gott und Adam machten deutlich: „Hier gibt es Kontakt und damit Hoffnung.“

Die verschiedenen Fachdienste im Einzelnen:

Die Paar- und Lebensberatung begleitet Ratsuchende in schwierigen Lebenssituationen wie Trennungen, gesundheitlichen Problemen oder Verlust des Arbeitsplatzes und sucht mit ihnen nach Zukunftsperspektiven.

Die Sozialberatung für Migranten und Flüchtlinge unterstützt in rechtlichen, familiären und sozialen Fragen und hilft bei der Beantragung von Sozialleistungen, Integrations- und Sprachkursen, Berufsausbildungen, Weiterbildungen sowie bei Asylverfahren.

Die Familien-, Erziehungs- und Jugendberatung hilft bei Problemen in Kindergarten oder Schule, bei Konflikte in Partnerschaft und Familie und bietet Beistand, wenn Eltern mit der Erziehung ihrer Kinder überfordert sind oder sich in einem gerichtlichen Verfahren zu Umgangs- und Sorgerecht befinden.

Die Angebote der Beratung und Therapie für Flüchtlinge helfen Geflüchteten, psychische und körperliche Verletzungen sowie schlimme Erlebnisse wie Kriegsgräuel, Flucht, Folter und andere Gewalttätigkeiten zu bewältigen.

Die Evangelische Suchtberatung und ihre Selbsthilfegruppen bieten Informationen und Hilfestellung bei übermäßigem Alkoholkonsum, Abhängigkeit von illegalen Drogen oder Medikamenten, finanziellen Probleme infolge von Glücksspiel oder Mediensucht.

Die Ehrenamtlichen des SOCIUS Mentorenprogrammes begleiten Geflüchtete und Migranten im Alltag und unterstützen unter anderem beim Deutschlernen, bei der Suche nach einem Ausbildungsplatz oder bei Behördengängen.

Im Evangelischen Familienzentrum Am Weißen Stein bietet ein umfangreiches Angebot zur Gestaltung und Bewältigung des familiären Alltags. Im Eltern-Kind-Cafés gibt es die Möglichkeit in lockerer Atmosphäre andere Eltern kennenzulernen und sich miteinander auszutauschen.

Die Ambulante Jugendhilfe gewährt Kindern, Jugendlichen und Familien Unterstützung bei der Bewältigung von Problemen im Alltag sowie in Konflikt- und Krisensituationen.

Das Evangelische Jugendwerk bietet jungen Menschen Gemeinschaft, persönliche Beziehungen, Freundschaft und Wegbegleitung an. Die Jungscharen, Jugendkreise und Pfadfindergruppen sowie die zahlreichen Aktionen, Fahrten und Wochenendveranstaltungen sind offen für alle Kinder und Jugendlichen unabhängig von ihrer Konfession.

Kontakt: Evangelisches Zentrum für Beratung und Therapie Am Weißen Stein, Eschersheimer Landstraße 567, Telefon 069/5302-222.


Schlagwörter

Autorin

Doris Stickler 76 Artikel

Doris Stickler ist freie Journalistin in Frankfurt.

0 Kommentare

Zu diesem Artikel wurden noch keine Kommentare verfasst. Schreiben Sie doch den ersten.

Artikel kommentieren

Wir freuen uns, wenn unsere Beiträge zu Diskussion und Austausch beitragen. Dabei bitten wir, auf angemessene Umgangsformen zu achten und die Meinung anderer zu respektieren. Bei Verstößen gegen unsere Netiquette-Regeln behalten wir uns vor, Kommentare nicht zu veröffentlichen.

Mit * markierte Felder sind Pflichtfelder.

Errechnen Sie die Summe der dargestellten Zahlen
Captcha =